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Volltext: Monatszeitschrift XXII (1919 / Heft 6, 7 und 8)

in krummen Gäßchen, intime Höfe, bunte Läden bis zum Aufbau des Ganzen auf hügeligem 
Gelände, bekrönt von Kirche und Schloß, die in schweres Gewölk hineinragen und in den 
Strahlen einer vergoldenden Sonne zu monumentaler Kraft emporwachsen. Mannigfaltiges 
ist mit sicherem Griff, mit feiner Beobachtung und festem Zusammenschluß tüchtig und 
lebendig geschildert. 
In einem anderen Raume weiß Radler den bunten leuchtenden Zauber heimischer 
Blumenpracht ornamental und doch lebensvoll auf die Leinwand zu bannen. Tüchtiges 
Naturstudium von F. Kruis, farbenfrohe und frische Bildnisse von V. Reisenbichler 
erfreuen und erfrischen. All dies bewegt sich gemessen und sicher in den bewährten 
Geleisen, die nun lange schon ihre verdiente Geltung errungen haben. So lange, daß heute 
schon wieder ein neues Empfinden und Wollen stürmisch hervordringt, das diese 
gefestigte Übung als eine Erstarrung verurteilt. Die Ausstellung der Sezession ist frei von 
solchen Umstürzen. Und mehr noch, sie zeigt eine bewußte Betonung der akademischen 
Tradition in einer umfangreichen Abteilung, welche der Baukunst gewidmet ist. 
Leopold Bauer hat sich mit gutem Recht in die Öffentlichkeit begeben, um sein 
Hauptwerk dem Urteil vorzuführen, das in der Ungunst der Zeiten von der Zurückstellung 
bedroht ist. Der Neubau, der für die Österreichisch-ungarische Bank errichtet werden 
sollte, beschäftigt den Künstler seit acht Jahren und erfüllte sein ganzes Denken und 
Trachten, der Entwurf war steter Verbesserung und Ausbildung unterworfen, so daß 
gegen 18 Projekte entstanden. Die Schwierigkeiten der Anforderungen, die Kompliziertheit 
der Bgdürfnisse, ihre einwandfreie Befriedigung in konstruktiver Hinsicht und mit Wahrung 
der künstlerischen Absicht verursachten eine bedeutende Arbeitsleistung, in deren Umfang 
die zahlreichen Zeichnungen und größeren Modelle Einblick geben. Man erlangt hier 
Kenntnis von der enormen Leistung baukünstlerischer Arbeit, die gewissenhaft und kritisch 
einer großen Aufgabe gerecht werden will, die den Auftraggeber befriedigen, den Zeit- 
forderungen gerecht werden, ein schwieriges Problem künstlerisch lösen will. 
Leopold Bauer sagt in den begleitenden Worten, die er zu seiner Ausstellung 
verbringt, daß er in der Architektur Chronik und Spiegel ihres Zeitalters erblickt, daß er 
die wichtigsten Forderungen seiner Zeit zu erkennen, ihnen künstlerischen Ausdruck zu 
geben bemüht war, daß er den entscheidenden Tendenzen seines Jahrhunderts entgegen- 
zukommen strebte. So sehr dies nun in der Klarheit der Disposition, in der Durchbildung 
der konstruktiven und räumlichen Erfordernisse der Fall ist, der formale Ausdruck 
dieser inneren Kräfte läßt jene Absicht nicht klar erkennen. Bildet schon ein mächtiger 
zentraler Turmbau als ein typischer Repräsentant alter akademischer Ideale nicht den 
Ausdruck einer Zweckforderung, sondern eines Bauwillens, der Symbole bevorzugt, so 
greift auch die Formensprache aller schmückenden Bauglieder auf den antikisierenden 
Apparat zurück, der seit der Renaissancezeit immer wieder auflebt. 
Von der Ecole des Beaux-Arts, jenem Hort des klassischen Bauprogrammes und der 
historischen Formensprache, aus ist die ganze Welt - die alte europäische und mehr noch 
die neue überseeische - mit Bauwerken offizieller Zweckbestimmung versorgt worden; die 
größten baukünstlerischen Aufgaben der neuen und der alten Welt sind dieser Macht aus- 
geliefert worden. Der wirkungsvolle, leicht verständliche Eindruck ihrer mächtigen Kuppel- 
bauten, Türme,Kolonnaden, denen oft keine innere Notwendigkeit, sondern vielmehr zumeist 
ein äußerliches Prunkbedürfnis mit mehr oder weniger gediegener formaler Gewandtheit 
entsprach, dieser erprobte Apparat bewußter Eklektik bildete stets eine große Gefahr 
für die Entwicklung einer neuen Zeitkunst. Die Forderungen unserer ganz von großen 
technischen Problemen erfüllten Zeit gingen von strengster Selbstbesinnung aus, von der 
Entfernung alles formaltheoretischen Ballastes und aller akademischen Symbolik. Die Über- 
Windung des akademischen Programmes war eine ihrer Hauptbedingungen. 
Österreich und Deutschland waren die stärksten Arbeitsgebiete dieser in bestem 
Sinne zeitgemäßen Bestrebungen, die hervorragende Leistungen vollbrachten. Leopold 
Bauer hat geraume Zeit in ihrem Sinne geschaffen, ist aber aus den Reihen der Vorkämpfer
	        
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