autochthone, das heißt geistig wie zeitlich zurückgebliebene Kunstschöpfung
zu den glorreichen Vorbildern im Bereiche der Lagunenstadt einnimmt":
Dies erhellt vor allem das Motiv der an den Vermittlungsdreiecken zwischen
Fassade und Uhrturm angebrachten Muscheln; allzu äußerlich ist ihre An-
gabe in offenkundig übertriebener Weise erfolgt; aber sie versinnbildlichen
hier Bauglied und Ornament und gleichzeitig die Hervorhebung des Attributes
des Heiligen, dem die Kirche geweiht ist. Hinsichtlich der Erfindung des
schönen, nach allen Seiten hin durchbrochenen Uhrturmes widerspricht
Madrassi der Ansicht, die in der Literatur zuweilen zu finden ist, daß er das
Werk des Udineser Malers Grassi bilde. Seine Konzeption ist bereits in dem
ersten Vertrage mit Bemardino vorgesehen und wir erfahren, daß im Jahre
r 533 der auch sonst in Udine und Cividale beschäftigte Benedetto, der Sohn
des Antonio degli Asturi di Dossena (in dem bergamaskischen Gebiete) sich
zu der Oberleitung („architetto e soprastante sopra il lavoro delforologio")
über diese Arbeit verpiiichtet." Fraglos bestehen manche Ähnlichkeiten mit
der Torre dell' orologio des Markusplatzes inVenedig; da wie dort ist die Figur
einer in einer Nische thronenden Madonna zur Aufstellung gelangt.""'"" Der
Altartisch aber, der unter dieser Statuette auf dem vorspringenden Balkon
von S. Giacomo angebracht ist, diente zur feierlichen Begehung des Meß-
opfers. Des öfteren hatte es sich ereignet, daß die Patriarchen von Aquileia
nach ihrem festlichen Einzug in die Stadt an diesem Altar ihre erste Messe
lasen. So hatte es der Patriarch Marino Grimano im Jahre 1524 geübt; zu
diesem Hochamte war - wie eine zeitgenössische Quelle berichtet - eine
ungeheure Menschenmenge (gegen 25.000 Teilnehmer) herbeigeströmtrt
Dann bildete der ringsum abgeschlossene Raum des Platzes die ungedeckte
Kirchenhalle, in der die Gläubigen den auf erhöhter Estrade allen sichtbar
sich ereignenden Vorgängen der heiligen Handlung folgten. i
Im XVIII. Jahrhundert wurde die parallel zur Kirche S. Giacomo sich
ausdehnende Kapelle der Pia opera dei Pelliciai mit dem Nebengebäude
vereinigt. Die dem Oratorium vorgestellte Fassade sticht mit dem Tone
ihres weißen Marmorbelages hell gegen den grau schimmernden Gesamtton
von S. Giacomo ab, unterwirft sich aber im wesentlichen der Anordnung
des Nachbarn. Die Zweiteilung der Geschosse, deren horizontale Trennungs-
linien gleichsam eine Verlängerung der entsprechenden Gesimsbänder der
jakobskirche bilden, die Teilung der Scheinfassade in drei Vertikalachsen
bringen die Verschmelzung der beiden in ihrer Entstehung durch zwei Jahr-
hunderte getrennten Bauwerke zu einer sich gegenseitig ergänzenden und
ineinander verwachsenden Wechselwirkung. Bei näherem Zusehen kann
1'" Über ähnliche Erscheinungen in Dalmatien vgl. H. Folnesics. Jahrbuch der Zentralkommission, 19:4.
""" Joppi, a. a. 0., IV. Seite 126.
"W Die kleiniichen Maße der Madonnenfigur von S. Giacomo stehen selbst zu den wenig großzügigen
Proportionen der Fassade in einem störenden Verhältnis. Übrigens bildet die Veduxe Pedros die Fassade ohne
die Figur ab.
1- V. joppi und Marchesi, „Cronaca delle guerre dei friulmi coi Germani di Giov. Batta. di Cerneu",
Udine 1895, Seite 80 f.