Die Entwürfei" zeigen vier Skulpturen, deren Piedestale an ihrer Vorder-
seite das Stadtwappen tragen, das seit der verdienstvollen Regierung des
venezianischen Statthalters Antonio Cavalli (1583) neben dem Emblem der
Savorgnani das steigende Pferd als Helmschmuck führt. Die Statuen reprä-
sentieren Bacchus und drei weibliche Gestalten, deren nur unterdrückt
angegebene Symbole die Erkenntnis ihrer ikonographischen Bedeutung
recht erschweren. Vermutlich versinnbildlichen sie die Personifikation der
Fruchtbarkeit im allgemeinen. Die Statuen tragen die Symbole jener
Produkte, Wein, Getreide, Früchte, die am Markte zum Verkauf aus-
gestellt werden. Die vierte (weibliche) Figur (Abb. 18) aber streckt den
linken Arm vor und hält zwischen Daumen und Zeigefinger einen ganz
kleinen ring- oder scheibenförmigen Körper, der wohl eine Münze dar-
stellen soll: es ist das Geld, das hier „am Markte" die notwendigste
Voraussetzung des Handels bildet. Das Ergebnis dieser Deutung aber
bestätigt in recht einwandfreier Weise die Bestimmung der Entwürfe als
geplante Schmuckglieder des Mercato. Die Zeichnungen entstammen un-
leugbar dem tiepolesken Kunstkreise; die Affinität zu dem Stil der beiden
Venezianer, deren Schaffen mit der künstlerischen Kultur Udines so innig
verknüpft ist, äußert sich nicht allein in manchen Einzelheiten (wie das
Motiv der ägyptisierenden Maske an der Gürtelschnalle jener weiblichen
Figur, die als Ceres oder als Symbol des Getreideanbaues anzusprechen
ist (Abb. 20), sondern verrät sich viel stärker noch in der Technik
und in verschiedenen Eigentümlichkeiten der
Wiedergabe, wie sie für die tiepoleske Manier
besonders charakteristisch sind. Offensichtlich ist
der Einfluß der Frühwerke Giambattistas im erz-
bischöflichen Palast zu verspüren; die von ihm
dort gemalten Figuren der alttestamentarischen
Prophetinnen, die fingierte, in Nischen gestellte
Bronzestatuen vortäuschen sollen," sind ohne
weiteres als nachwirkende Vorbilder anzusehen.
Die verhältnismäßig kleinen Proportionen der
Köpfe, die typische Bildung der Füße, Ähnlich-
keiten in der Gewandbehandlung stellen eine
nahe Verbindung her, aber trotzdem möchte man
die vorliegenden Entwürfe angesichts der etwas
trockenen Zeichnungsweise, die den geistreichen
Skizzen der beiden Meister nicht gleichzukomrnen
f Udine, Biblioteca Cornunale, Klebeband (Signatur LL, IX).
Beschreibung der Zeichnungen: Papier weiß, braune Feder, grau laviert.
Blattgröße 495x335 Millimeter. Auf der Zeichnung mit der Bacchus-
statue ein Maßstab; ihm entsprechend hätten die Figuren (mit dem
Sockel) eine Höhe von genau „13 piedi Veneziani" (etwa 41k Meter)
Abb. 2x. Holzfigur des {erreichen sollen.
heiligen Rochus an der Seitenwand "' Eine Abbildung dieser bisher unveröffenxlichen Nischenfiguren
von S. Giacomo wird einer meiner nächsten Tiepolo-Aufsätze bieten.