in der der weiteste Osten (Japan) mit
dem europäischen Westen (Rokoko)
in regsten gegenseitigen Austausch
getreten ist, der hier in Konstan-
tinopel, als einem gegenüber beiden
Kulturwelten indifferenten Boden, zu
dieser eigentümlichsten Blüte führte.
So erfüllt sich hier die Aufgabe
der Türken in einem nationalen Inter-
nationalismus, der ihnen schon in die
Wiege mitgegeben war. Wenn man
sich vor Augen hält, daß die letzte
Kraftentfaltung türkischerKultur unter
den Osmanen gerade in eine Zeit-
spanne fällt, in der das Abendland
seine größten Schöpfungen, die go-
tischen Dome des Nordens, vollendete
und die Werke der Renaissance auf-
zuweisen hat, und bedenkt, daß die
türkischen Schöpfungen dieser Zeit
_ sich jenen an künstlerischer Größe
Abb. 59. Detail vom Brunnen Achmeds 111. _ _ ,
(KonsmünopeH-„p Hang) ohneweiters anreihen lassen, ja daß
die Großen und Größten des Abend-
landes, wie Bellini, Rembrandt und Goethe von dieser Kunst die wertvollsten
Anregungen erhielten, so wird man diesem Volke die Anerkennung auf
künstlerischem Gebiete nicht versagen dürfen. Freilich dürfen wir bei der
Beurteilung des Fremden nicht die uns geläufigen Maßstäbe des Eigenen
anlegen, sondern es aus seinen eigenen Schöpfungen heraus zu verstehen
suchen. Wenn uns hier eine Kunst entgegentrat, der der Sinn für den
organischen Zusammenhang der Naturgestalt fremd ist, so ist dies, wenn
man nicht subjektiv von dem uns Geläufigen aus urteilt, kein Mangel,
sondern eben der Ausdruck einer anderen Geistigkeit, die der Umwelt
anders wertend gegenübersteht als wir. Denn wie uns der Sinn für das
Organische seit alters im Blute lag und unser Denken als ein rückschauend
verbindendes (historisches) und aus dem Gegenwärtigen in die Zukunft vor-
schauendes und vorsorgendes bestimmte, so erscheint das Denken, wie es
uns bei den Türken entgegentritt, als ein an die Gegenwart geheftetes. Das
Einzelding und so auch das eigene Leben erscheint ihm als ein Teil für sich,
der losgelöst von einer kausalen Verkettung in bezug auf Zeit oder Umwelt
unter einer abstrakten Gesetzmäßigkeit steht. Nicht der Kosmos ist das
Bestimmende, sondern das Fatum.