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KÜNSTLER IM KUNSTHANDWERK so- VON
HERMANN TRENKWALD-WIEN a-
IE Frage nach der Anteilnahme bedeutender Künstler
an der Entwicklung des Kunstgewerbes muß
einmal einer gründlichen zusammenfassenden
Bearbeitung unterzogen werden; es ist eigentlich
verwunderlich, daß dies nicht bereits geschehen.
Unsere Zeit, deren ältere Generation die durch
schöpferische Einflußnahme der Künstler ge-
kennzeichnete Erneuerung des Kunsthandwerks
miterlebt hat, erscheint für eine solche Aufgabe
besonders geeignet, man möchte ihr aus dem
Werdegang der eigenen Zeitkunst heraus eine
starke Witterung für die hier in Betracht kommenden Dinge zusprechen.
Im folgenden seien vorläulig nur einige Anhaltspunkte für die Behandlung
dieser Fragen gegeben. '
Art und Umfang der Einwirkung von Künstlern auf das Kunsthandwerk
ist zu verschiedenen Zeiten verschieden, es gibt Zeiten, in denen eine solche
überhaupt nicht vorhanden. So kennt die mittelalterliche Werkstattkunst
noch keine Scheidung von Künstlern und Handwerkern in unserem Sinne.
In der Klosterkunst der vorromanischen Zeit ausgebildet, blieb dieses Ver-
hältnis auch, als große Laienkünstler führend geworden, und auf ihm beruht
der einheitliche künstlerische Geist, der aus den einzelnen mittelalterlichen
Arbeiten spricht, ihre innere Größe und eigenartige Wirkung. Es erschiene
wie ein Sakrileg am Geiste des Kunstwerks, wollte man etwa supponieren,
ein Architekt hätte eines der Goldschmiedewerke entworfen, ein Gold-
schmied nach dem Entwurf nur die Ausführung innegehabt.
Die mittelalterliche Künstlerpersönlichkeit wurzelt in der Werkstatt und
geht in ihr auf. Künstler wie Handwerker sind Dienende, vorwiegend der
Kirche, und namenlos? Nennt sich im Zeitalter des romanischen Stils
einmal der Künstler auf einer Arbeit, so geschieht es in der bescheidensten
Weise, wofür zum Beispiel die Bezeichnung des Maurinus-Schreines in
Köln kennzeichnend ist."
Das Bild einer mittelalterlichen Künstlerwerkstatt gewinnen wir aus der
Schedula diversarum artium des Theophilus Presbyter und aus dem Traktat
Cenninis, dessen Atelier gemäß seiner noch ganz zünftigen und handwerks-
mäßigen Ausgestaltung alle Arten gewerblicher Arbeiten ausgeführt hat, das
Bemalen von Fahnen, Schildern, Truhen, Vorzeichnungen für Sticker und
Zeugdrucker, selbst das kunstgerechte Schminken der Damen. „Handwerk und
Kunst, ars mechanica und liberalis, sind noch einträchtig beisammenßm":
"' Über die Stellung des mittelalterlichen Künstlers und seine allmähliche Befreiung aus der handwerle
liehen Zunft vgl. Schlosser, „Materialien zur Quellenkunde der Kunstgeschichte", I, Wien X914, Seite 79 H.
und VI, 191g, Seite m6 E.
m" Vgl. von Falke „Deutsche Schmelzarbeiten des Mittelalters". Frankfurt am Main, 1904, Seite 4x.
i" Schlosser, a. a. 0., I, Seite rot.