MAK

Volltext: Monatszeitschrift XXIII (1920 / 1, 2 und 3)

Im XV. Jahrhundert war ein dekorativer Wandteppichstil gefunden, 
in Deutschland charakterisiert durch Stellung flächig behandelter Figuren 
auf einen in gleich starken Farben gehaltenen gemusterten Hintergrund, in 
Frankreich-Burgund durch Häufung von Figuren übereinander sowie starke 
Betonung dekorativer Details der Darstellung. Seit der Wende des XV. jahr- 
hunderts greifen große Künstler in die Entwicklung ein. Raffael, Rubens, 
Lebrun, Coypel, Boucher - sie alle bedeuten Etappen von einem dekora- 
tiven Teppichstil weg zum Bildmäßigen und Figürlichen, wobei Rubens 
das in dieser Hinsicht Ausgeglichenste und dem Gobelincharakter Entspre- 
chendste schuf, bis man schließlich zu direkter Übertragung von Porträt- 
bildern gelangte. Die Bildwirkerei hatte damit ihr Eigenleben gänzlich auf- 
gegeben, sie begnügte sich, mit der Malerei zu wetteifern. Damit war das 
Rad der Entwicklung heißgelaufen. 
Wenn nun wieder Künstler in einem solchen Entwicklungsstadium 
reformierend eingreifen, so stellt sich das Problem für sie vor allem nach 
der technischen Seite hin. Denn die Situation gibt sich in diesem Falle so, 
daß das technische Können (im weitesten Sinne des Wortes genommen) 
das künstlerische überwuchert hat. 
Es ist überhaupt wichtig, stets zu erkennen, in welchem Verhältnis sich 
diese beiden eben genannten Faktoren zueinander befinden. Sie können 
beide zugleich auf höchster Stufe ihrer Entwicklung stehen, wir sprechen 
dann von „Klassik" in der Kunst. Sie können aber auch in gleicher 
Gebundenheit bleiben, wie etwa im romanischen Stil oder es kann das 
künstlerische Können das technische übertreffen, dieses über sich selbst 
hinausführend. Das geschieht in Zeiten großen künstlerischen Werdens und 
des Eingreifens bedeutender Persönlichkeiten. Wo wir ein derartiges Ver- 
hältnis zwischen den bezeichneten Faktoren sehen, können wir stets die 
Einflußnahme von Künstlern annehmen." 
Übertrifft aber das technische Können das künstlerische, wie in Zeiten 
des Virtuosentums, da das künstlerische nur mehr als dünnes Geriesel 
im breiten Bett technischen Rafiinements erscheint, so gibt es nur einen 
Ausweg für einen neuschöpferischen Meister: er greift zur primitiven Technik, 
um künstlerisch desto mehr ausdrücken zu können. So geschah es auch, als 
Künstler unserer Zeit wie Eckmann, Thoma, Munthe die Wiederbelebung der 
Gobelinkunst in Angriff nahmen. Der Entwurf betonte den textilen Charakter, 
für die Ausführung war der primitivste Wirkstuhl vorgesehen. 
Ähnliche Vorgänge waren beim Einsetzen der modernen Bewegung 
auch auf anderen Gebieten bemerkbar. So ging man in der Gold- 
schmiedekunst vor allem wieder vom Material und seiner Behandlung aus, 
suchte bei einfacher Formgebung und ebenso primitiver Technik (Hammer- 
arbeit) die Eigenschaften des speziellen Materials zu feinster künstlerischer 
' So ist das wundervoll behandelte, alle technischen Schwierigkeiten überwindende Rankenwerk des 
alten orientalischen Teppichs sicherlich durch persische Holkiinstler in die Teppichkunst gelangt, während die 
volkstümliche Stufe etwa durch einen gleichzeitigen armenischen Teppich mit seiner technisch gebundenen 
Zeichnung von eckigen Tier- und Rankenüguren gekennzeichnet ist.
	        
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