MAK

Volltext: Monatszeitschrift XXIII (1920 / 1, 2 und 3)

Bezifferungen finden 
und sehr viele benöti- 
gen Korrekturen, um 
brauchbar zu sein. 
Es bedurfte der 
Feststellung, daß die 
Muster die ganze be- 
absichtigte Breite wie- 
dergeben, um ein rich- 
tiges Verständnis der 
Omamentik als Flä- 
chenfüllung zu ermög- 
lichen. Denn ihr Haupt- 
charakteristikum ist die 
Wiedergabe eines zu- 
fälligen Ausschnittes Abt, 3_ 
aus einer Musterung, 
die die tatsächlich vorhandenen Grenzen nicht anzuerkennen und einem 
willkürlichen Eingriff ihr Dasein zu verdanken scheint. So befremdlich es 
auch wirkt: wir haben es mit einer Omamentverteilung zu tun, für die es 
in der gegebenen Fläche keine Mittellinien, kein Oben und Unten, keine 
Ränder gibt. Das letzte ist das wichtigste, aus dem das übrige logisch folgt; 
denn es bewirkt, daß die gegebene Fläche nur als ein zufällig zur Sicht 
gekommener Teil eines unbegrenzten Ganzen erscheinen kann, das denn 
auch der Musterung ihren Sinn gibt. Oder, vom Beschauer aus: er soll 
nicht in einer begrenzt faßbaren Fläche sein Genügen finden, sondern er 
soll angeregt werden, mit der Phantasie das Liniengewirr ins Unendliche 
fortzuspinnen. Es entspricht das einer sehr charakteristischen Stufe der 
deutschen Omamententwicklung. Die hohe Gotik hatte gemäß ihrem Sinn 
für Zahl und Maß jede Fläche als solche anerkannt und sie nur omamental 
ihren Tendenzen gemäß ausgedeutet, also das Ruhende ersetzt durch ein 
Tätiges; aber für die Anordnung blieben bestimmend die planimetrischen 
Bedingtheiten der gegebenen Fläche." Diese Gesetzmäßigkeit verliert sich 
mit fortschreitender Wandlung der Hochgotik zur Spätgotik; man spricht 
allmählich der gegebenen Fläche überhaupt einen positiven Sinn ab. Die 
Omamentik negiert sie: 
es ist nur die Epider- 
mis abgehoben wor- 
den, die das eigentliche, 
wirkliche Leben des 
 
i Ich ziehe bewußt nur das 
unnaturalisüsche Ornament in 
Parallele, da es die Prinzipien 
natürlich klarer vertritt als das 
naturalistische. 

	        
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