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Volltext: Monatszeitschrift XXIII (1920 / 1, 2 und 3)

nunmehr frei sein, um seinem Werke seine Stelle im großen Zuge der Ent- 
wicklung anzuweisen. Stilkritisch erkannten wir als vorherrschend spätest- 
gotisches Formgefühl in der Art der Flächenbesetzung. Aber es finden sich 
doch Ausnahmen, die ein vollkommenes Ausbalancieren des Omaments in 
der gegebenen Fläche erstreben, Ausnahmen, die sich ebenso charakteristisch 
am Schlüsselfelder-Haus wiederfinden. Ich sagte oben schon, daß man sich 
gerechterweise nicht wird wundern dürfen, daß der Kampf der noch voll 
lebenskräftigen spätgotischen Tendenzen mit den importierten der fremden 
Kunst 1531 in der I-Iandwerkskunst noch keineswegs entschieden war. Man 
wird im Gegenteil eher bewundern müssen, daß sie in solchem Grade die 
Tendenzen ihrer Zeit - im spätgotischen wie im Renaissancesinne - teilt. 
Und diese Zeitgemäßheit ist es denn auch, die solch ein Erzeugnis der 
Volkskunst für uns in gewissem Sinne in den Bereich des Kunstgewerbes 
hebt. Denn es scheint mir, daß man die beiden systematisch nur scheiden 
kann, wenn man ihr wechselseitiges Verhältnis zur sogenannten hohen 
Kunst zum Ausgangspunkt nimmt. Als kunstgewerbliche Erzeugnisse werden 
solche anerkannt, deren Formensprache dem jeweils herrschenden Stilwillen 
unterliegt, ja die ihn auch dem widerstrebenden Material aufzwingt. Der 
Hauptwesenszug der Volkskunst ist dagegen, daß das Mitgehen mit einem 
Stilwandel zunächst fehlt und nur sehr zögernd und partiell erfolgt, während 
zäh an traditionell überkommenen, einmal aus einer höheren Kultursphäre 
entlehnten Elementen festgehalten wird, so daß die Formensprache ihre 
Quellen in ganz verschiedenen Schichten hat, besonders, wenn sich noch 
Erinnerungen aus der Urzeit vermischen mit gelegentlichen eigenen naiven 
Zutaten des Handwerkers. Scharf ist auch der Gegensatz durch den bestim- 
menden Einliuß, der in der Volkskunst dem Material in seiner techno- 
logischen Eigenart für die Omamentik beikommt, während im Kunstgewerbe 
das Primäre durchaus der Stilwille ist. Wo Kaspar steht, ist danach wohl 
klar: er vertritt eine Mittelstufe; soweit es technische Schwierigkeiten zu über- 
winden gilt, zeigt er die Eigenschaften des Volkskünstlers, kann er seinem 
Formwillen frei folgen, so vertritt er die allgemeinen Zeittendenzen. Daß er 
eines der modischen gedruckten Musterbücheri" gekannt hat, ist nicht nach- 
zuweisen. Man wird sogar das Gegenteil behaupten dürfen, da er sonst doch 
wohl seinen Formenschatz bereichert hätte. Dessen Prirnitivität verbietet 
auch die Annahme einer besonderen, seinesgleichen nicht ohne weiteres 
"Wenn ich nur die fest datierten Ausgaben der Modelbücher berücksichtige, so wären in Frage gekommen: 
8115 Dßülßßhlind! "E3"! new Moddbl-Wh "SW-"i Jorg Gastel, Zwickau 1525. 2. Auflage („Kunst und Gewerbe", 
XII, 1878, Seite 173 i). „Eyn new kunstlich boich uswß, Peter Quentel, Köln 1527. (Französische Ausgabe aus 
dem gleichen Jahre par metrepiere Quinty: „Revue desArts decoratifs", VII, 186637, Seite 17a). Aus Italien: „Oper: 
nuova ehe insegna . . . a cuscire etcf", Tagliente, Venedig 1527 (H. L. Boersma, „Kunstindustrielle Literatur", 
Haag 1888, Seite 69). „Esemplario di lavori etc.", Zoppino, Venedig 152g. (ib. Seite 70, „Gazette des Beaux- 
Ans", XV, 1853, Seite 348). „Fontana degli esempli", Vavassore, Venedig 1530. (Voraus gehen undatierte 
Ausgaben, „Gazette des Beaux-Arts", ib.) Aus Frankreich: „La Fleur de la Science de Portraicture etc.", Paris 
153a („Gazette des Beaux-Anä", XVII, 1864. Seite 4:3). - In Wirklichkeit W31 der Kreis aber ein viel größerer, 
da von den undatierten Modelbüchern ein Teil in Frage kommt, außerdem der heutige Bestand lückenhaft ist. 
Eine Klarstellung des Verhältnisses der einzelnen Ausgaben zueinander und der einzelnen Bücher untereinander 
steht noch aus. Deutlich wird aber jetzt schon die weite Verbreitung, die sie erfuhren.
	        
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