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zugänglichen Bildungsmöglichkeit. Was er uns zeigt, wird er von seinem
Meister gelernt haben - an eben solchen Vorlagen, wie wir vor uns sehen,
denn Werkzeichnungen hat man immer benutzen müssen - und sonst wird
er als Kind glücklicherer Zeiten als der der französischen Revolution folgen-
den dem Einfluß der Kulturbestrebungen seiner Umwelt und vor allem
ihrer Kunst, die auch seine Sache war, offen gestanden sein, so daß sie sich
auch seiner bescheidenen Person als Sprachrohr bedienen konnte. Auch
wegen dieser Erkenntnismöglichkeit scheint mir das Musterbüchlein von
besonderer Bedeutung.
ALTE BREGENZER SILBERARBEITEN 50' VO N
GUSTAV E. PAZAUREK-STUTTGART Sie
IE Beziehungen des Landes Württemberg zum alten
Österreich lassen sich auf keinem Gebiet besser
belegen als auf dem der Goldschmiedekunst,
deren alte Feingehaltsbeurkundungen für uns die
willkommensten Herkunftsbeweise bilden. Für die
frühere Zeit vor der Reformation, in der eine be-
sonders innige Verbindung des Hauses Habsburg
mit seinen vorderösterreichischen Besitzungen
die Einfuhr auch manchen kunstgewerblichen
Objektes sehr wahrscheinlich macht, fehlen uns
leider solche Angaben, da die Merkzeichen erst
seit der Renaissance allgemein verbreitet erscheinen; umso häufiger sind
aber die Belegstücke aus dem XVII. und XVIII. Jahrhundert, in denen die
pünktliche Anbringung der Meistermarke und Stadtbeschau von den Zünften
selbst streng überwacht wurde.
Bei der Zerrissenheit der politischen Verhältnisse im römisch-deutschen
Reiche vor den Zeiten Napoleons wird man sich nicht wundern, im
heutigen Württemberg, das ehedem besonders bunt zusammengewürfelt
war, die Stuttgarter Rösselmarke nur auf Silberobjekten in den evange-
lischen Landesteilen von Alt-Württemberg anzutreffen, sofern nicht eine
nahegelegene ehemalige Reichsstadt, wie Ulm, Heilbronn, Gmünd, Hall,
Reutlingen und andere, die betreffende Kirchengemeinde versorgte. In
vielen, selbst kleinen Orten aber saßen überall Goldschmiede, deren Merk-
zeichen ich bei Gelegenheit herauszugeben gedenke. Aber bei der Samm-
lung derselben fand ich überall nicht nur die selbstverständliche Vor-
herrschaft des in jenen Tagen die halbe Welt mit Silber versorgenden
Augsburg, und zwar sowohl für die katholischen als auch für die evange-
lischen Kirchenbedürfnisse, sondern auch viele andere Marken, die die
vielgestaltigen Beziehungen namentlich zu den Nachbarländem gut ver-
anschaulichen.