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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 145)

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Bezirke constatiren, dass] die Industriellen ihres Sprengels es vorziehen, 
ausländische Muster nachzumachen, anstatt selbst solche zu produciren. 
Bereits früher habe ich darauf hingewiesen, dass die Thätigkeit des 
Staates zwar die äusseren Bedingungen für die Thätigkeit seiner Bürger 
herstellen, diese Thätigkeit begünstigen und fördern, aber niemals ersetzen 
könne. Die industrielle Blüthe eines Landes können allein Fleiss und Aus- 
dauer seiner Bewohner herbeiführen; das Gesetz für sich allein kann dieses 
Resultat nie und nimmer zu Stande bringen. Das französische Musterschutz- 
gesetz ist wahrscheinlich das mangelhafteste, weil das älteste von allen, 
und doch ist die französische Kunstindustrie die bedeutendste und fortge- 
schrittenste von allen. Wir sind allzusehr gewohnt, die Hände in den 
Schoss zu legen und alles Unheil, das uns betriEt, der jeweiligen Regie- 
rung in die Schuhe zu schieben und von ihr allein Hilfe zu erwarten. 
Diese Gesinnung muss sich ändern. Die jüngsten Ereignisse auf wirth- 
schaftlichern Gebiete haben uns schrecklich klar gemacht, dass Sprünge 
in der volkswirthschaftlichen Entwicklung niemals zum Heile gereichen 
und dass auch die Börse nicht im Stande ist, allgemeinen Wohlstand zu 
verbreiten. Dazu kann uns nur ernste ausdauernde Arbeit verhelfen.' 
Es wird darüber geklagt, dass unsere Industrie schon durch den 
Mangel an Capital, sowie durch die I-Iöhe des Zinsfusses an der erfolg- 
reichen Concurrenz mit dem Auslands gehindert sei. Mag dem immerhin 
so sein, daraus folgt nur, dass wir trachten müssen, unsere Industrie ins- 
besondere auf solchen Gebieten auszubilden, wo nicht die Grösse des 
investirten Capitales das entscheidende ist. Und das ist insbesondere bei 
der Kunstindustrie der Fall. Unser Bestreben muss darauf gerichtet sein, 
unseren Erzeugnissen eine solche Gestalt zu geben, welche sie dem Aus- 
lande begehrenswerth und preiswürdig erscheinen lässt. Wie der kleine 
Industrielle im Stande ist, durch den guten Geschmack seiner Erzeugnisse 
mit dem Grossindustriellen zu concurriren, ebenso gestaltet sich dieses 
Verhältniss auch zwischen capitalarmen und capitalreichen Ländern. Trotz 
Capitalsrnangel und hohem Zinsfusse kann es uns also immerhin gelingen, 
auf dem höchsten Gebiete der industriellen Tliätigkeiten, in der Kunst- 
industrie, eine bedeutende Stellung zu erringen und zu behaupten. 
Gewiss ein anstrebenswerthes Ziel. Um es aber zu erreichen, dazu 
gehört ausser dem Talente, an welchem es bei uns nicht mangelt, Ernst, 
ausdauernder Fleiss und Geschäftsmoral. Gerade diese letztere ist es vor- 
nehmlich, welche durch das Musterschutzgesetz gefördert werden soll. 
Die Aufgabe unserer Industriellen wird demnach darin bestehen, sich 
der ihnen vom Staate zu ihrem Schutze und zu ihrer Ausbildung gebo- 
tenen Mittel zu bedienen und an dieser letzteren mit sittlichem Ernste 
und Ausdauer unausgesetzt zu arbeiten. Erst durch ein solches Streben 
wird die nothwendige Ergänzung geschaffen für die Thätigkeit des Staates 
und also auch für den von ihm gewährten Musterschutz.
	        
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