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schiedener Gewerbszweige und aus sonstigen Personen, welche mit dem
Muster- und Modellwesen vertraut sind, Sachverständigen-Vereine gebildet
werden sollen, welche auf Erfordern des Richters, Gutachten über die an
sie gerichteten Fragen abzugeben verpflichtet sind. Diese Vereine sind auch
befugt, auf Anrufen der Betheiligten über streitige Entschädigungsansprüche
sowie über die Einziehung der vorräthigen Nachbildungen und der zur
widerrechtlichen Vervielfältigung bestimmten Vorrichtungen zu erkennen.
Jedermann, der mit Musterrechts-Streitigkeiten bei uns zu thun ge-
habt hat, weiss wie viel in Betreff der von den Sachverständigen abzu-
gebenden Gutachten zu wünschen übrig bleibt. Die Ungleichheit und Un-
verlässigkeit dieser Aussprüche ist allgemein bekannt und erübrigt hier
nichts als die Centralisation. Es hat sich jederzeit herausgestellt, dass un-
parteiische Gutachten in grosser Regel nur an solchen Orten abgegeben
wurden, wo genug Sachverständige vorhanden waren, um bei der Wahl
Partei-Interessen gänzlich ausschliessen zu können. Aeusserte sich doch in
dieser Hinsicht sogar eine österreichische Handelskammer dahin, ßdass die
Sachverständigen, die in dem Bezirke des Beklagten wohnen, Befunde ab-
geben, welche nur deshalb für den Beklagten lauten, weil den Sachver-
ständigen mehr Hinneigung oder Voreingenommenheit für ihren Nachbar,
als für den ihnen nicht näher bekannten Kläger innewohnt oder weil sich
dieselben zur Vertheidigung des guten industriellen Rufes ihres Bezirkes
verpflichtet haltenu.
Die Bildung solcher grosser Collegien erscheint demnach dringend
geboten und auch gegen die denselben durch das Gesetz im Falle des Ein-
Verständnisses der Parteien eingeräumte schiedsrichterliche Thätigkeit,
welche selbstverständlich niemals auf die Verhängung einer Strafe sich er-
strecken kann, wird eine Einwendung nicht zu erheben sein.
Solchen Collegien hingegen die ganze Gerichtsbarkeit in Mustersachen
zu übertragen, wie es bei den conseils des prufhommes in Frankreich
der Fall ist, oder auch nur ihr Gutachten für die erkennende Behörde
unbedingt und in allen Fällen für bindend zu erklären, das dürfte sich
bei uns vorerst nicht empfehlen. Abgesehen davon, dass bei der Einfüh-
rung derartiger ganz neuer Institutionen immer nur mit Vorsicht vorge-
gangen werden solle, erscheint es speciell bei uns sehr zweifelhaft, ob auch
eine genügende Anzahl tauglicher Männer zur Uebernahme solcher un-
entgeltlicher Vertrauensposten vorhanden und bereit wäre. Der oft gefühlte
Mangel an tüchtigen Handelsgerichts-Beisitzern, insbesondere in kleineren
Städten, die geringe Inanspruchnahme der Gewerbegerichte, sowie die
Aeusserungen der Handelskammern über die Gutachten der Sachverstän-
digen in Musterschutz-Streitigkeiten könnten fast das Gegentheil be-
fürchten lassen.
Die Reform unserer Gesetzgebung in diesen das Verfahren betref-
fenden Fragen dürfte sich also vorerst auf die Gründung der früher er-
wähnten Sachverständigen-Vereine zu beschränken haben. Tritt eine Urn-