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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 145)

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schiedener Gewerbszweige und aus sonstigen Personen, welche mit dem 
Muster- und Modellwesen vertraut sind, Sachverständigen-Vereine gebildet 
werden sollen, welche auf Erfordern des Richters, Gutachten über die an 
sie gerichteten Fragen abzugeben verpflichtet sind. Diese Vereine sind auch 
befugt, auf Anrufen der Betheiligten über streitige Entschädigungsansprüche 
sowie über die Einziehung der vorräthigen Nachbildungen und der zur 
widerrechtlichen Vervielfältigung bestimmten Vorrichtungen zu erkennen. 
Jedermann, der mit Musterrechts-Streitigkeiten bei uns zu thun ge- 
habt hat, weiss wie viel in Betreff der von den Sachverständigen abzu- 
gebenden Gutachten zu wünschen übrig bleibt. Die Ungleichheit und Un- 
verlässigkeit dieser Aussprüche ist allgemein bekannt und erübrigt hier 
nichts als die Centralisation. Es hat sich jederzeit herausgestellt, dass un- 
parteiische Gutachten in grosser Regel nur an solchen Orten abgegeben 
wurden, wo genug Sachverständige vorhanden waren, um bei der Wahl 
Partei-Interessen gänzlich ausschliessen zu können. Aeusserte sich doch in 
dieser Hinsicht sogar eine österreichische Handelskammer dahin, ßdass die 
Sachverständigen, die in dem Bezirke des Beklagten wohnen, Befunde ab- 
geben, welche nur deshalb für den Beklagten lauten, weil den Sachver- 
ständigen mehr Hinneigung oder Voreingenommenheit für ihren Nachbar, 
als für den ihnen nicht näher bekannten Kläger innewohnt oder weil sich 
dieselben zur Vertheidigung des guten industriellen Rufes ihres Bezirkes 
verpflichtet haltenu. 
Die Bildung solcher grosser Collegien erscheint demnach dringend 
geboten und auch gegen die denselben durch das Gesetz im Falle des Ein- 
Verständnisses der Parteien eingeräumte schiedsrichterliche Thätigkeit, 
welche selbstverständlich niemals auf die Verhängung einer Strafe sich er- 
strecken kann, wird eine Einwendung nicht zu erheben sein. 
Solchen Collegien hingegen die ganze Gerichtsbarkeit in Mustersachen 
zu übertragen, wie es bei den conseils des prufhommes in Frankreich 
der Fall ist, oder auch nur ihr Gutachten für die erkennende Behörde 
unbedingt und in allen Fällen für bindend zu erklären, das dürfte sich 
bei uns vorerst nicht empfehlen. Abgesehen davon, dass bei der Einfüh- 
rung derartiger ganz neuer Institutionen immer nur mit Vorsicht vorge- 
gangen werden solle, erscheint es speciell bei uns sehr zweifelhaft, ob auch 
eine genügende Anzahl tauglicher Männer zur Uebernahme solcher un- 
entgeltlicher Vertrauensposten vorhanden und bereit wäre. Der oft gefühlte 
Mangel an tüchtigen Handelsgerichts-Beisitzern, insbesondere in kleineren 
Städten, die geringe Inanspruchnahme der Gewerbegerichte, sowie die 
Aeusserungen der Handelskammern über die Gutachten der Sachverstän- 
digen in Musterschutz-Streitigkeiten könnten fast das Gegentheil be- 
fürchten lassen. 
Die Reform unserer Gesetzgebung in diesen das Verfahren betref- 
fenden Fragen dürfte sich also vorerst auf die Gründung der früher er- 
wähnten Sachverständigen-Vereine zu beschränken haben. Tritt eine Urn-
	        
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