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sucher aus dem Gewerbestande sich veranlasst gesehen, von den Fort-
schritten der Wiener Technik Kenntniss zu nehmen. Aber nicht allein
der kunstgewerbliche Gesichtspunkt ist es, der diese Abtheilung lehr-
reich macht, auch das volkswirthschaftliche Interesse, das sich jedem
Besucher der Ausstellung aufdrängen musste, ist von entscheidender
Wichtigkeit. Bei der Lage der österreichischen Monarchie ist nichts
wünschenswerther und nothwendiger, als in den verschiedenen bethei-
ligten Kreisen die Idee des Wechselverkehrs und der Wechselbeziehungen
zwischen den einzelnen Kronländern und den einzelnen Industriezweigen
so viel als möglich zu beleben. Es wäre im höchsten Grade nachtheilig,
wenn die einzelnen Kronländer untereinander oder die verschiedenen In-
dustriezweige untereinander sich auf einheimischem österreichischen Boden
entfremden würden und wenn der Eine wie der Andere seinen Collegen,
seinen Mitstrebenden auf dem Gebiete der Kunst und Kunstindustrie als
einen Fremden betrachten würde. Die Sprachen und andere politische
Verhältnisse entfremden in Oesterreich die Völker untereinander in weit
höherem Grade als es früher der Fall war; aber es würde doppelt zu
beklagen sein, wenn diese Gegensätze sich auch auf künstlerischem und
kunstgewerblichem Gebiete noch stärker geltend machen würden, als es
ohnedies der Fall ist. Es würde Oesterreich dadurch bald das verlieren,
was es am nöthigsten braucht, nämlich den gesicherten Markt im eigenen
Lande. In Frankreich, in England, in Italien, in Spanien, wo ebenfalls
politische Gegensätze existiren, fällt es Niemandem ein, diese Gegensätze
auf industrielles und artistisches Gebiet zu übertragen und dadurch zu
verschärfen; im Gegentheil -- wenn irgendwo in der Normandie, in der
Bretagne, in Irland oder in Neapel Waaren producirt werden, so be-
trachtet heutigen Tages jeder gebildete Franzose, Engländer oder Italiener
diese Gegenstände als Producte des eigenen Landes, die vor den Pro-
ducten anderer Länder zu begünstigen sind. In Oesterreich scheint es,
als 0b man den Slavonier oder Siebenbürger als Ausländer, den Wiener
in Innsbruck, den Prager in Graz als Fremden auch auf gewerblichem
Gebiete ansehen würde. Der Deutsche, der Franzose erweitert sein Ab-
satzgebiet, - in Oesterreich ist es fast umgekehrt. Wenn daher bei uns
nicht das Gefühl gepflegt wird, jeden im Gesammtgebiete der Monarchie
hervorgebrachten Gegenstand als einen einheimischen zu betrachten und
demgemäss zu behandeln, so würde das industrielle, künstlerische und
gewerbliche Lehen in Oesterreich einer auch vom staatlichen Gesichts-
punkt höchst bedenklichen industriellen und artistischen Zerbröckelung
entgegen gehen. Hie und da zeigen sich schon Spuren einer solchen
Zerbröckelung, und man kann nicht dringend genug davor warnen, diese
Symptome, so unscheinbar sie auftreten mögen, gering zu schätzen, und
nicht lebhaft genug wünschen, dass dieser Zerbröckelungs-Process auf
diesen harmlosen Gebieten nicht weiter fortschreite. Aus diesem Grunde
hat das Oesterr. Museum die Ausstellung in Innsbruck mit Freuden be-