Geßner Idyllik auch im Landschaftlichen. Nur im Steil-
abfall der Greifcnsteiner Berge mit der Biegung des
Stroms aus der Weite des Tullner Feldes ist ein sicheres
Erfassen der charakteristischen Bergformen, der aus dem
Widerschein des Himmels im Strom gebildeten Ferne
und ihrer atmosphärischen Erscheinung erkennbar.
Dieses Interesse an der Atmosphäre 13 scheint in den letzt-
ten Schaffensjahrcn zuzunehmen und erlaubt es, eine
ebenso „unoffizielle" Schöpfung wie die Zeichnung, eine
Olstudie, seinem Werk zuzuordnen 14. Dieser „Blick vorn
Bisamberg auf Wien" (Wien, Österreichische Galerie,
Abb. 5) ist die einzige Olskizze, die wir bis jetzt von
Brand kennen. Neben manchem Geläufigen, etwa der
traditionellen Vordergrundlösung, aber auch der zart dif-
ferenzierten Farbigkeit des „ausgefiihrten" Teils des Bil-
des, der Stadt und der Berge bis etwa zum Kahlenberger-
dorf, zeigt sich hier technisch und künstlerisch bei Brand
bis jetzt nicht Bekanntes wie die dünne „lasierende" Mal-
weise bei Leopolds- und Kahlenberg und den Augründen
diesseits der Donau, im Zusammenhang mit einer Far-
bigkeit, die fern jeder dekorativen Absicht offenbar nur
die wirkliche Erscheinung wiedergeben will. Sicher kann
man das eine, gleichsam als skizziercnde Untermalung,
dem Studiencharakter des Bildes zuschreiben. Das an-
dere bedeutet aber gleichsam die Ausdehnung des Hin-
tergrundes auf das ganze Bild; d. h. nicht die kleinteilige
Dingwiedergabe, sondern die Erfassung der Atmosphäre
ist der eigentliche Gegenstand der Studie. Dabei wird
in einer wahrhaft außergewöhnlichen Art die Verwoben-
heit von Erde, Wasser und Luft in einer bestimmten
atmosphärischen Situation, ein regnerischer Tag, so ein-
gefangen, daß an Carl Gustav Carus' „Erdenleben" ge-
dacht werden kann. Nur durch gewisse traditionelle Stil-
mittel und die heimatliche Örtlichkeit erhält im ment-
schenleeren Bild der elementare Vorgang vertrauten
Stimmungswert.
Im ganzen gesehen nahm Brands Landschaftskunst eine
Entwicklung, die in den akademischen und im Auftrag
ausgeführten Veduten der spätbarocken, josefinischen
Sachlichkeit entspricht, in den Zeichnungen, kleinforma-
tigen Bildern und wohl auch in den Studien jedoch in
Gehalt und Gestalt auf das kommende Jahrhundert und
seine Probleme der Landschaftsmalerei weist. Vielleicht
war Brand gerade darum zu diesen Leistungen fähig,
weil er bis zuletzt im Herzen ein „Hollandist" 15 blieb.
Daß Brand die Natur und ihre Wirklichkeit im Gewand
vor allem der Wiener Landschaft zu erfassen suchte, ist
ein anderer, besonders liebenswerter Zug seiner Kunst.
Abgesehen von topographischen Detailinteressen - ha-
ben doch er und seine Schüler zum ersten Mal in grö-
ßerem Umfang Wien und seine Umgebung, aber auch
die Voralpen bereist und „aufgenommen"- läßt die Be-
antwortung der Frage, was alles für darstellenswert ge-
halten wurde, manchen Schluß auf das Naturgefühl der
Zeit zu. Es ist im wesentlichen neben der repräsentativen
Besitztumsvedute immer noch die feudale Landschaft, die
Landschaft der Jagden, die er im Auftrag darzustellen
hatte 15. Damit ist auch die geographische Ausdehnung
dieser dem adeligen Plaisier dienenden Landschaft um'-
rissen: von der Wiener Pforte bis zum Thebener Kegel.
erstreckte sich damals das bevorzugte Gebiet der Jagd-
schlösser des Hofes und des Adels. Die Kunstformen der
Landschaftsmalerei dieser Adelswelt wendete Brand je-
doch als Mittel für die Wirklichkeitserfassung an. Die
Entdeckung der pittoresken Heimat, der Landschaft um
Wien und des Wiener Volkslebens, war die weitreichende
Folge - jahrzehnte bevor Salzburg und das Salzkaml
mergut Gegenstand romantischer Malerei wurden ". Im
Werk Brands hat sich dabei etwas vollzogen, was einem
der schönsten Gedanken über Landschaftsmalerei ent-
spricht, der Ansicht, daß der Stil der künstlerischen Wie-
dergabe mit der dargestellten Örtlichkeit in inniger Ver-
bindung steht 1'}. Es ist eine Idee, die sicherlich nur in
Zeiten einer gesteigerten Aufnahmebereitschaft für die
Wirklichkeit und eines entwickelteren künstlerischen In-
dividualismus gefallt werden konnte und nur auf solche
Epochen angewendet werden darf. Doch scheint es nicht
abwegig, in der Tatsache, daß Brand in den Ebenen, Ber-
gen und Flüssen der Wiener Landschaft atmosphärisches
Leben und Stimmung entdeckte und darstellte, nicht bloß
seine eigenste künstlerische Leistung, sondern auch ein.
Geschenk eben dieser Landschaft zu sehen.
1 Laxenburg vom Lusthaus auf der Hanawiese gegen Mödling
und Anninger (Ausschnitt). 1758. Ostcrr. Galerie
2 Laxenburg vom Hayd-Lusthaus gegen Maria-Lanzendorf.
Oslerr. Galerie
3 Blick vom Thebener Kegel gegen Schloßhof. 1774, Nürn-
berg, Germ. Nationalmuseum
4 Blick auf Klosterneuburg vom Bisamberg aus. 1792. Chor-
herrenstilt Klosterneuburg
5 Blick vom Bisamberg auf Wien. Osterr. Galerie
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