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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 3)

Geßner Idyllik auch im Landschaftlichen. Nur im Steil- 
abfall der Greifcnsteiner Berge mit der Biegung des 
Stroms aus der Weite des Tullner Feldes ist ein sicheres 
Erfassen der charakteristischen Bergformen, der aus dem 
Widerschein des Himmels im Strom gebildeten Ferne 
und ihrer atmosphärischen Erscheinung erkennbar. 
Dieses Interesse an der Atmosphäre 13 scheint in den letzt- 
ten Schaffensjahrcn zuzunehmen und erlaubt es, eine 
ebenso „unoffizielle" Schöpfung wie die Zeichnung, eine 
Olstudie, seinem Werk zuzuordnen 14. Dieser „Blick vorn 
Bisamberg auf Wien" (Wien, Österreichische Galerie, 
Abb. 5) ist die einzige Olskizze, die wir bis jetzt von 
Brand kennen. Neben manchem Geläufigen, etwa der 
traditionellen Vordergrundlösung, aber auch der zart dif- 
ferenzierten Farbigkeit des „ausgefiihrten" Teils des Bil- 
des, der Stadt und der Berge bis etwa zum Kahlenberger- 
dorf, zeigt sich hier technisch und künstlerisch bei Brand 
bis jetzt nicht Bekanntes wie die dünne „lasierende" Mal- 
weise bei Leopolds- und Kahlenberg und den Augründen 
diesseits der Donau, im Zusammenhang mit einer Far- 
bigkeit, die fern jeder dekorativen Absicht offenbar nur 
die wirkliche Erscheinung wiedergeben will. Sicher kann 
man das eine, gleichsam als skizziercnde Untermalung, 
dem Studiencharakter des Bildes zuschreiben. Das an- 
dere bedeutet aber gleichsam die Ausdehnung des Hin- 
tergrundes auf das ganze Bild; d. h. nicht die kleinteilige 
Dingwiedergabe, sondern die Erfassung der Atmosphäre 
ist der eigentliche Gegenstand der Studie. Dabei wird 
in einer wahrhaft außergewöhnlichen Art die Verwoben- 
heit von Erde, Wasser und Luft in einer bestimmten 
atmosphärischen Situation, ein regnerischer Tag, so ein- 
gefangen, daß an Carl Gustav Carus' „Erdenleben" ge- 
dacht werden kann. Nur durch gewisse traditionelle Stil- 
mittel und die heimatliche Örtlichkeit erhält im ment- 
schenleeren Bild der elementare Vorgang vertrauten 
Stimmungswert. 
Im ganzen gesehen nahm Brands Landschaftskunst eine 
Entwicklung, die in den akademischen und im Auftrag 
ausgeführten Veduten der spätbarocken, josefinischen 
Sachlichkeit entspricht, in den Zeichnungen, kleinforma- 
tigen Bildern und wohl auch in den Studien jedoch in 
Gehalt und Gestalt auf das kommende Jahrhundert und 
seine Probleme der Landschaftsmalerei weist. Vielleicht 
war Brand gerade darum zu diesen Leistungen fähig, 
weil er bis zuletzt im Herzen ein „Hollandist" 15 blieb. 
Daß Brand die Natur und ihre Wirklichkeit im Gewand 
vor allem der Wiener Landschaft zu erfassen suchte, ist 
ein anderer, besonders liebenswerter Zug seiner Kunst. 
Abgesehen von topographischen Detailinteressen - ha- 
ben doch er und seine Schüler zum ersten Mal in grö- 
ßerem Umfang Wien und seine Umgebung, aber auch 
die Voralpen bereist und „aufgenommen"- läßt die Be- 
antwortung der Frage, was alles für darstellenswert ge- 
halten wurde, manchen Schluß auf das Naturgefühl der 
Zeit zu. Es ist im wesentlichen neben der repräsentativen 
Besitztumsvedute immer noch die feudale Landschaft, die 
Landschaft der Jagden, die er im Auftrag darzustellen 
hatte 15. Damit ist auch die geographische Ausdehnung 
dieser dem adeligen Plaisier dienenden Landschaft um'- 
rissen: von der Wiener Pforte bis zum Thebener Kegel. 
erstreckte sich damals das bevorzugte Gebiet der Jagd- 
schlösser des Hofes und des Adels. Die Kunstformen der 
Landschaftsmalerei dieser Adelswelt wendete Brand je- 
doch als Mittel für die Wirklichkeitserfassung an. Die 
Entdeckung der pittoresken Heimat, der Landschaft um 
Wien und des Wiener Volkslebens, war die weitreichende 
Folge - jahrzehnte bevor Salzburg und das Salzkaml 
mergut Gegenstand romantischer Malerei wurden ". Im 
Werk Brands hat sich dabei etwas vollzogen, was einem 
der schönsten Gedanken über Landschaftsmalerei ent- 
spricht, der Ansicht, daß der Stil der künstlerischen Wie- 
dergabe mit der dargestellten Örtlichkeit in inniger Ver- 
bindung steht 1'}. Es ist eine Idee, die sicherlich nur in 
Zeiten einer gesteigerten Aufnahmebereitschaft für die 
Wirklichkeit und eines entwickelteren künstlerischen In- 
dividualismus gefallt werden konnte und nur auf solche 
Epochen angewendet werden darf. Doch scheint es nicht 
abwegig, in der Tatsache, daß Brand in den Ebenen, Ber- 
gen und Flüssen der Wiener Landschaft atmosphärisches 
Leben und Stimmung entdeckte und darstellte, nicht bloß 
seine eigenste künstlerische Leistung, sondern auch ein. 
Geschenk eben dieser Landschaft zu sehen. 
1 Laxenburg vom Lusthaus auf der Hanawiese gegen Mödling 
und Anninger (Ausschnitt). 1758. Ostcrr. Galerie 
2 Laxenburg vom Hayd-Lusthaus gegen Maria-Lanzendorf. 
Oslerr. Galerie 
3 Blick vom Thebener Kegel gegen Schloßhof. 1774, Nürn- 
berg, Germ. Nationalmuseum 
4 Blick auf Klosterneuburg vom Bisamberg aus. 1792. Chor- 
herrenstilt Klosterneuburg 
5 Blick vom Bisamberg auf Wien. Osterr. Galerie 
 
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