construirten Darstellungen so sehr in Erstaunen, dass die Anfertigung eines
solchen Werkes in so früher Zeit (spätestens vollendet 1494.) fast unmög-
lich schien. Erst die genaue Durchsicht lehrte die unzweifelhafte Echtheit
dieses Werkes, das man im Wesentlichen erst Ende des vorigen Jahrhun-
dertes durch Erklärung des Verschwindungspunktes um einen Schritt zu
überholen vermochte. Einzelne Figuren und Constructionen, wie die des
Kreuzgewülbes auf vier gleich grossen Gurten und vier unprofilirten
Pfeilern, haben sich durch eine Menge Perspectivbücher bis auf die neuesten
Compendien erhalten; andere gehören zu den schwierigsten Aufgaben,
welche hier gestellt werden können und alle sind gleich meisterhaft u. z.
im Originalmanuscript oh n e Fehler (bekanntlich kommen auch in Per-
spectivlehrbüchern gerne einige Perspectivfehler vor), während in der Mai-
länder Abschrift einige Verwechslungen und daher falsche Ausführungen
sich finden.
Original und Abschrift (respect. Uebersetzung) stimmen jedoch voll-
kommen überein, wobei nur einige der letzten schwierigsten Construc-
tionen in der Abschrift in mehreren Zeichnungen durchgeführt wurden,
zur noch grösseren Deutlichkeit eine Zeichnung des Originales in zwei
getrennte zerlegend, ohne jedoch irgend etwas Neues hinzuzufügen.
Das ganze an Figuren und Text umfangreiche Opus zerfällt in drei
Theile.
Der erste Theil beginnt mit einer Erklärung der geometrischen
Elemente, Punkt, Linie und der regelmässigen Vielecke.
Hierauf folgen sechs Figuren mit Erklärungen des Sehwinkels und
diesbezüglicher Beobachtungen ähnlich wie bei Euclid. Eine dieser Figuren
kehrt genau so bei Dürer und zwei bei Danti wieder.
Damach folgt die Erklärung und Anwendung eines seither lange
gänzlich ausser Gebrauch gesetzten Constructionsprincipes, das unzwei-
felhaft als das primitivste und älteste bezeichnet werden muss. Als Basis
dieser, bei aller Urwüchsigkeit sinnreichen und geometrisch tadellos ge-
nauen Construction dient nur die erfahrungs- ja handwerksmässig ent-
wickelte Praxis der Maler. Weder die Kenntniss des Verschwindungspunktes
noch der Glastafeltheorie oder Perspectivlehre als Schnitt mit der Seh-
pyramide sind hiezu erforderlich, sondern nur Folgendes:
Die Erfahrung hat gelehrt, dass die in die Tiefe laufenden Linien
eines Fussbodenquadrates scheinbar, nach aufwärts zu, sich zusammen-
neigen. Linienführungen dieser Art kommen an antiken und mittelalter-
lichen Malereien vor und Euclid liefert bereits in der ro. Proposition
seiner Optik mittelst Sehstrahlen den geometrischen Beweis, dass dies so
sein müsse. Aehnliches ist behandelt in seiner 6. und u. Proposition. Nach-
dem nun die rückwärtige Viereckseite, welche parallel zur Bildebene ist
und demzufolge als horizontale Linie erscheint, noch irgendwo angenom-
men wird (wodurch unwissentlich die Distanz gewählt wird) ergibt sich
das richtige Perspectivbild eines Fussbodenquadrates ohne eigentlich zu