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hende Studien macht zur Verwerthung der zehnjährigen Erfahrungen. Denn
es geht nicht leicht an, über die Voten stillschweigend hinwegzuschreiten,
zu welchen sich piehrere Landtage in dieser Sache veranlasst gesehen
haben '). Leider aber kann nicht verschwiegen werden, dass in den Land-
tagen bei Berathung ähnlicher Fragen vorwiegend die politischen Gesichts-
punkte vorherrschen und dass die Sprecher über derlei Angelegenheiten in
der Regel jene Männer sind, die zugleich als politische Parteiführer das
Wort zu nehmen sich berufen fühlen.
Ich würde es überhaupt bedauern, wenn die Forderung einer Reform
des Volksschulgesetzes nur zum Programmpunkte einer einzelnen politischen
Partei, welchen Namen dieselbe auch haben mag, herabsänke. Dadurch
würde Niemand mehr geschädigt, als die Jugend, welche unterrichtet
werden soll, und die Gesellschaft, welche einer in der Volksschule gut
erzogenen Bevölkerung bedarf. Am allerwenigsten frommt es dem Lehrer-
stande, dem seit mehr als drei Jahrzehnten anzugehören ich mir zur Ehre
rechne, mit politischen Schlagworten in die Schlachtlinie zu treten. Wie
die Zielpunkte des Volksschulunterrichtes, so liegen auch
die Fragen der Reform desVolksschulgesetzes über den Par-
teien des Tages. Sie sollen möglichst objectiv behandelt werden. Je
ruhiger, leidenschaftsloser, sachlicher dieselben aufgefasst werden, desto
besser wird es umi die Reformangelegenheit stehen und desto leichter
werden sich jene Männer einigen, welchen es nicht um eine nationale oder
politische Partei, sondern um die Sache selbst zu thun ist. Diesem Kreise
von humanen, dem gewerblichen Fortschritt huldigenden Männern möchten
auch diese Zeilen empfohlen sein, welche sich mit einer begrenzten Frage
des Volks- und gewerblichen Unterrichtes beschäftigen.
Auch im gewerblichen Leben , insbesondere auf dem Gebiete der
Kleingewerbe, treten die Uebelstände so mächtig hervor, dass es nicht
möglich ist, dieselben länger zu ignoriren. Die deutschen Regierungen
haben es zu deutlich erfahren, wohin es führt, wenn bloss der Verstand
gebildet, das Herz aber kalt gelassen und die Fertigkeit der Hand nicht
geübt wird. ln Deutschland weiss man es sehr genau, dass die deutsche
Arbeit mit der französischen und englischen nicht concurriren kann, weil
in Frankreich und England jene Hindernisse für die Entwickelung des
Gewerbes nicht existiren, welche in den Zollvereinsstaaten durch die eigen-
thiimliche Volksschulgesetzgebung und durch die einseitige Bildung des
') Ein Erlass des Unterrichtsministers vom 2 5. März 1879 hebt denn auch hervor,
dass in der Mehrzahl der Kronländer während der letzten Session der Landtage die acht-
jährige Schulpflicht nneuerlich den Gegenstand zahlreicher Klagenu gebildet
hab: und normin eine Reihe von Erleichlerungen in der Erfüllung der Schulpflicht für
die 13- und qjährigen Kinder. So sehr die Tendenz dieses Erlasses zu loben ist, so lässt
sich doch nicht verkennen, dass des genannte administrative Elaborat nur einige der
schreiendsren Uebelslände milden, aber die Hauptfrage, mit welcher sich eben diese
Blätter beschäftigen, keineswegs löst.