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licher Unterricht ertheilt werden soll, und fragt ganz naiv, wie viele
Gewerbelehrer denn an einer Volksschule angestellt werden sollen; denn
er meint, der Schreiner kann nicht den Drechsler, der Schlosser nicht
den Bronzegiesser vertreten u. s. f. Seine Sorgfalt geht so weit, dass er
glaubt, es müssten dann auch Fachlehrer für Metzger und Bierbrauer
aufgenommen werden. Solche Aeusserungen sind besonders bezeichnend
für den Standpunkt des anonymen Schreibers", man sieht aus ihnen, dass
er gar nicht weiss, um was es sich eigentlich bei der ganzen Angelegenheit
handelt, indem er solche Ungereimtheiten Jenen unterlegt, die eine An-
bahnung gewerblichen Unterrichts in der Volksschule erstreben. Denn bei
dem Vorschlag, den ich machte, handelt es sich nicht absolut darum, eine
ganz neue Organisation der Volksschule in's Auge zu fassen, sondern um
eine erhöhte Rücksichtnahme auf die Erlernung der Fertigkeiten liber-
haupt, wenn möglich um die Verminderung des Lehrstoffes derart, dass
die Möglichkeit geboten ist, dort, wo es nöthig erscheint, auch einen
gewerblichen Unterricht zu ertheilen. Es wird heutigen Tags an der Volks-
schule zu vielerlei gelehrt, daher muss die Vereinfachung des Lehrplanes
das erste Ziel Derjenigen sein, welche die Volksschule den Bedürfnissen
der Bevölkerung anpassen wollen. Der Schreiber des Artikels in der "Augs-
burger allgemeinen Zeitungu scheint die wirklichen Zustände der Volks-
schule in den Kronländern nicht zu kennen, und besonders dort nicht,
wo Fachschulen existiren. Die Zustände, welche die Volksschul-Legislative
in ganz Mitteleuropa geschahen hat und die thatsächlich vorhandenen
gewerblichen Verhältnisse, machen uns begreiflich, dass gegenwärtig die
Lehrlingsfrage überall in den Vordergrund tritt. nDas Schlimmste, so
spricht das Organ der Gewerbemuseen in Zürich und Winterthuf), ist,
dass unsere heutigen Lehrlinge von dem Werth und der Verantwortung
ihres Berufes nicht durchdrungen sind; mit halbem Wissen und grossen
Ansprüchen gehen sie in die weite Welt hinaus, und wenn ihnen dann
die nackte Wirklichkeit entgegentritt und ihre Blössen zur Schau kommen,
so sind sie die ersten, die hineingerathen in jene Strömung, welche die
Arbeit nicht als Segen, sondern als Grund zu Hass und Fluch auffassenw
Es ist nur zu begreiflich, dass solche Zustände sich überall geltend
machen, da die Jugend durch die Volksschule auf das viele Wissen dressirt
wird, während man daselbst auf den gewerblichen Unterricht keine Rück-
sicht nimmt.
Von diesen Thatsachen wollen einige Juristen und Beamte, welche
sich berufen glauben, den gegenwärtigen status quo zu vertheidigen, wenig
wissen und es ist ihnen daher ausserordentlich unbequem, wenn gerade
hievon die Rede. Sie hören es daher nicht gerne, wenn gesagt wird, dass
die Volksschulgesetzgebung mit daran Schuld ist, dass die gewerbliche
Bildung gehemmt wird und sie sehen es ebenso ungern, wenn ein Ver-
x) Siehe Schweizer Gewerbeblatt, Juhrgang 1879, Nr. 9.