eigentlichen Sinne des Wortes bezeichnen. Auch das Kunstgewerbe scheidet
sich in eben so geringem Grade von der Kunst, denn in Wahrheit sind
die Producte der Kunstindustrie, wenn sie gut sind, wirkliche Kunstwerke,
und diejenigen, welche sie geschaffen haben, wirkliche Künstler. Dasienige,
was wir mit einem nicht ganz bezeichnenden Ausdruck Kunstgewerhe nen-
nen, liegt daher in der Mitte zwischen Gewerbe und Kunst, participirt theil-
weise an der Kunst, theilweise am Gewerbe, und aus diesem Grunde irren
viele Schriftsteller, die sich nicht vollständig klar sind über die Stellung,
welche die Kunstgewerbe als solche einnehmen.
Wir erörtern diesmal nur die Berührungspunkte zwischen Kunstge-
werbe und Gewerbe selbst, speciell im Handwerk. Vor Allem darf das
Handwerk nicht als ein überwundener Standpunkt betrachtet werden
und die Theorie, dass nur das Kunstgewerbe eine Zukunft habe, das
Handwerk als solches aber der Grossindustrie und den Trägern der
Capitalsbeschalfung zum Opfer falle, ist eine grundfalsche. lch stimme
daher vollkommen dem Verfasser des Artikels in Nr. 356 der wAugsburger
allgemeinen Zeitungu Jahrgang 1878, über den "Handwerkerstand und
den Wucheru zu, wenn er sagt: wFür die Pflege der kunstgewerblichen
Entwickelung kann nicht zu viel geschehen; wer aber so thut, als ob
das Kunsthandwerk ein besonderes, vom alltäglichen gewerblichen Leben
sich scharf abhebendes sei, der beweist ganz einfach, dass er sich noch
niemals die Mühe genommen hat, in dieses praktische, auch aus sich heraus
unaufhörlich nach Vervollkommnung ringende Leben hineinzuschauen.
Die Frage nach Erhaltung des Handwerks lässt sich so wenig von der
Frage nach Pflege und Förderung des Kunstgewerbes trennen, dass im
Gegentheil die erste Voraussetzung für ein blühendes Kunsthandwerk in
der Existenz eines soliden festbegründeten Handwerks besteht."
Ist es richtig, dass sich das Handwerk von dem Kunsthandwerk nicht
scheiden lässt, so muss: i
t. In der Volksschule (Bütgerschule) nicht nur das gepflegt werden,
was als das rein künstlerische Element im Gewerbe zu betrachten ist, son-
dern es muss auch das gewerbliche Element, so weit dies thunlich, in
Betracht gezogen werden.
a. Setzt die kunstgewerbliche Fachschule eine Volksschule (Bürger-
schule) voraus, welche auf die früher angedeuteten Bedürfnisse Rücksicht
nimmt und eine Bevölkerung, welche für einen bestimmten Zweig des
Kunstgewerbes hinlänglich Empfänglichkeit besitzt. Das letztere ist vor-
zugsweise in jenen Gewerben der Fall, die in der Form einer Hausin-
dustrie betrieben werden.
Die Behauptung, dass das Kunstgewerbe nur dort extensiv und in-
tensiv existiren könne, wo Städte vorhanden sind und wo die Kunst als
solche geübt wird, ist historisch unrichtigd Das, was man Kunstgewerbe
nennt, ist älter als dasjenige, was man Kunst heisst. ln der natürlichen
Entwickelung der Kunst liegt es, dass dieselbe nur dort gedeiht, wo für