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Zeit, wo ich die Ehre hatte, als Vorsitzender des Aufsichtsrathes der
kunstgewerblichen Fachschulen des Handelsministeriums zu fungiren, wurde
wiederholt der Plan besprochen , die kunstgewerbliche Fachschule für
Goldschmiedekunst in Prag mit der dortigen allgemeinen Zeichenschule in
innigen Contact zu bringen, so zwar, dass die Schüler von einer Anstalt
in die andere übertreten können. Ich glaube nicht, dass seither über diesen
Gegenstand eine Vereinbarung getroffen wurden wäre und so leiden die Fach-
schulen des I-Iandelsministeriums, die zumeist mit ganz eminenten Lehrkräften
und sehr gutem Lehrmaterial versehen sind, an dem Mangel einer einheit-
lichen Organisation und an dem Mangel einer genügend breiten Basis, um
nutzbringend wirken zu können. So würde die Fachschule in St. Ulrich
im Grödener Thale ganz andere Erfolge aufzuweisen haben, wenn sie mit
der dortigen Volksschule in directe Verbindung gebracht worden wäre und
wenn der Unterricht daselbst unter die Aufsicht der Landesschulbehörde
gestellt würde. Die Schule selbst hat auf den gesammten Industriezweig der
I-Iolzschnitzerei im Grödener Thale noch wenig Einfluss gewonnen und
ihre Ausstellung in Innsbruck vom vorigen Jahre kann keineswegs als
eine glückliche bezeichnet werden, und zwar nicht blos, weil an dieser
' Schule selbst einige Mängel obwalten, sondern wesentlich aus dem Grunde,
weil das Schülermaterial durch die Volksschule nicht gehörig vorbereitet ist.
Es ist theoretisch ausserordentlich richtig und auch sehr schön ge-
sagt: nDass der allgemeine Zeichenunterricht als obligater Lehrgegenstand
in der Volksschule die rechte Vorbereitung für eine kunstgewerbliche Fach-
schule seiu und das Princip ist auch gesichert; aber frägt man, wie in
Wirklichkeit diese Schulen aussehen, wie es namentlich mit dem Zeichen-
unterricht in den Volksschulen bestellt ist, an deren Sitze auch Fach-
schulen existiren, und welche Verbindung zwischen dem Zeichenunterricht
in der Volksschule und jenem der Fachschule hergestellt oder vorbereitet
ist, so sieht es in Wirklichkeit recht traurig aus. In Zakopane in Ga-
lizien ist eine Schnitzschule gegründet worden, in einem Orte, wo die
Volksschule selbst den elementarsten Anforderungen nicht genügt und von
Zeichenunterricht gar keine Rede ist. Die Schulen, die ich im verflossenen
Jahre besuchte, speciell die Schule in Königsberg in Böhmen, die an und
für sich vortreHiich geleitet ist, hat weder mit der dortigen Industrie, noch
mit der Volksschule eine directe Verbindung. Das Volksschulgesetz in der
Form, in der es gegenwärtig gilt, und für deren intacte Aufrechthaltung
Dr. Eduard Magner schwärmt, existirt noch in sehr vielen Gegenden nur
auf dem Papier; in Wirklichkeit schwebt mancher Paragraph noch in der
Luft. Kein Zweig der Industrie aber leidet so ausserordentlich durch die an-
geführten Mängel, als die Quincaillerie-Industrie in Gablonz, die weder in
der dortigen Gewerbeschule, noch in der Volks- und Bürgerschule einen
Halt hat und der mächtigen Concurrenz von Schwaben und vom Rheine
schutzlos preisgegeben ist. Wie ganz anders würde sich das Fachscbulsystem
ausnehmen und in der Praxis bewähren, wenn die Einheit im gewerblichen