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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIV (1879 / 168)

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keine Beschäftigung linden. Nur in der Zeit des eigentlichen Bauschwin- 
dels und Grtlndungswesens hat man Noth an Architekten, Bauzeichnern 
und Baumeistern gehabt. Diese Ueberproduction war eine ganz unnatür- 
liche; wie sie selbst ihren Ausgangspunkt von der geistigen und mora- 
lischen Corruption genommen hat, so hat sie auch mit dazu beigetragen, 
Kunst und Gewerbe zu corrumpiren und namenloses Unglück zu ver- 
breiten. 
Es ist doch eine ganz merkwürdige Thatsache, dass die technischen 
Hochschulen Oesterreichs im Schuljahre 1878 die enorme Zahl von 
4.073 Studirenden") aufweisen, wobei man noch in Betracht ziehen muss, 
dass viele Oesterreicher sich an die technischen Hochschulen des Aus- 
landes wenden, besonders nach München, Zürich, Karlsruhe u. s. f. Die 
technischen Hochschulen des industriell so hoch entwickelten Frankreich 
weisen nur eine Schülerzahl von 116i Studirenden auf, für das ganze 
russische Reich genügen 2316, für Belgien 693. Dass alle diese jungen 
Leute in Oesterreich Stellen finden sollen, ist eine baare Unmöglichkeit; 
trotzdem aber drängt sich die Jugend in diese Laufbahn. Auch im 
Oesterr. Museum hat man Gelegenheit gehabt, eine ähnliche Erscheinung 
zu beobachten. So lange der Lehrerbildungscurs nicht existirte, waren alle 
Schüler der Kunstgewerbeschule ausnahmslos berufen, einmal positiv in 
das Kunstgewerbe einzutreten, als Maler, Decorateure, Bildhauer u. s. f. 
Seitdem aber der Zeichenlehrer-Bildungscurs vorhanden ist, drängt sich 
die Jugend zu dem Lehramt in so horrender Weise, dass eine Ausnahms- 
massregel eintreten musste, wollte man nicht eine Ueberproduction von 
Lehramtscandidaten herbeiführen. Während im Durchschnitte im Jahre 
nur 30-40 Stellen zu besetzen sind, drängen sich jährlich 80-100 junge 
Leute heran. So strebt auch gegenwärtig alles den juristischen Studien 
zu und hofft irgendwo im Staatsdienste sein Fortkommen zu linden; aber 
auch hier weiss jeder fachkundige Mensch, dass die Aussichten sehr be- 
grenzt sind und die Zahl der zu besetzenden Stellen in keinem Verhält- 
niss steht zu der Menge der jungen Leute, welche sich den rechts- und 
staatswissenschaftlichen Facultäten zuwenden. Dass bei einer so grossen 
Zahl von Bildungsbedürftigen auch der Unterricht leidet, ist ganz klar, 
denn es reichen die grössten Mittel nicht aus, um diejenigen wirklich zu 
unterrichten, welche unterrichtet sein wollen, und das ist gegenwärtig ins- 
besondere auch bei den technischen Hochschulen in Oesterreich der Fall. 
Sucht man aber nach den Gründen, warum ein so grosser Drang nach 
höheren Studien sich geltend macht, so ist die Ursache wesentlich darin 
zu finden, dass von der Volksschule angefangen, schon dahin gestreht 
wird, das allgemeine Bildungsniveau zu erhöhen, ohne zugleich in dem 
') Siexhe Brachell 
i's Inaugurationsrede v. J. 1879. 
 
Fortsztgung auf der Beilage.
	        
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