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durchgehend auf eine gewissenhafte Erforschung der einheimischen Quellen, namentlich
der Staatsrechnungen. Was diese letzteren aufweisen, sind nahezu ausnahmslos kleine
Namen und kleine Aufträge. Die hohe Kunst fristete in der Schweiz ein kümmerliches
Dasein. Sie brachte es zu keiner selbständigen Entwicklung, kaum zu einer glänzenden
Nachahmung. Deutsche, französische, italienische Einflüsse machten sich geltend, aber
vereinzelt und in abgeschwachter Form, ohne auf dem neuen Boden neue Kraft zu ge-
winnen. Nur das Kunsthandwerk tritt lebensfähig auf. lhm kommt das allgemeine Be-
dürfniss entgegen und verhilft ihm stellenweise zu einer bemerkenswerthen Blüthe. Die
bernischen Staatsrechnungen liefern reichliche Beweise dafür. Obenan steht hier der
Betrieb der Glasmalerei. Sie fand die weiteste Verbreitung und absorbirt die tüchtigsten
Kräfte. Selbst Niklaus Manuel, der eigenartigste und neben Urs Graf der bedeutendste
Künstler der Schweiz, stellt sein erftndungsreiches Talent in ihren Dienst.
Jede Monographie ist mit einem Initial geschmückt, unter denen diejenigen des
sog. Udelbuches durch originelle Erfindung und kecke Durchführung hervorragen. Ausset-
dem figuriren als selbständige Kunstbeilagen: Seitenfenster im Chor der Kirche zu Künitz,
r36o-t38o. - Handzeichnung von N. Manuel. - Die sieben Bitten des Vaterunser,
Glasgemälde des M. Walter in der Kirche zu Einigen. - Der Schützenbrunnen an der
Marktgasse zu Bern. - Glasgemälde von H. J. Dünz.
Die schöne Ausstattung der Festschrift ist ein erster Schritt in der einzuschlagenden
Richtung.
Stromer, Th.: Murillo, Leben und Werke. Eingeführt durch Dr. Max
Jordan. Berlin, E. Wasrnuth, 1879. 8".
Die Einleitung von Dr. Jordan gibt in gedrängtester Kürze eine treßliche Ueber-
sicht der Entwicklung der spanischen Malerei vom Mittelalter bis in Murillo's Zeit.
Stromer selbst will in seinem Werkchen nicht original sein, sondern er beschränkt sich
darauf, in angenehmer Form dem deutschen Publicurn den Inhalt jener Biographie vor-
zutragen, welche der Sevillaner Tubino von seinem grossen Landsmanne Murillo ge-
schrieben hat. ln einem eigenen Abschnitte nimmt der Verfasser im Ganzen und Grossen
Kugler's Urtheil über Murillo an und mildert nur dessen Schärfe durch die Ausführungen
Lücke's aus Dohme's -Kunst und Künstlern; aus der gleichen Quelle stammen die Be-
merkungen über das Verhältniss der spanischen Malerei zur niederländischen und vene-
tianischen. Ein Verzeichniss von Murillo's Werken schliesst das immerhin empfehlens-
werthe Büchlein ab. Nach dem Gesammttitel wKünstlerbiographienl zu schliessen, scheint
dasselbe das erste Heft einer grösseren Publication, welche Wasmuth's rühriger Verlag
zu veröffentlichen gedenkt. Diese Absicht, zumeist fremdsprachige Künstlerbiographien
den deutschen Dilettantenkreisen nahe zu bringen, wäre ein recht löbliches Unternehmen,
parallel zu jenem von S. Low, Marston in London. Aus dessen Verlag erschien nämlich
unter dem Titel: The greats artists l. soeben ein Leben Hans l-lolbeins von Jos. Cundall,
reich illustrirt und mit vollständiger Zugrundelcgung von Woltmanns Werk.
Seemann, Theodor: Geschichte der bildenden Künste. Jena, H. Coste-
noble, 1879. Mit 166 Illustrationen. 8".
Der Schreiber dieser Zeilen glaubt von sich rühmen zu dürfen, dass er nicht zu
jener Classe von Referenten gehört, die mit wahrer Wollust über die schwächere Arbeit
irgend eines ihnen unbekannten Autors scharf kritisirend herfallen. Gleichwohl sieht er
sich aus Rücksicht auf die lernbeßissenen Kreise der Jugend, für welche das vorliegende
Werk bestimmt sein soll, gezwungen, dasselbe mit aller Entschiedenheit zu verurtheilen.
Der Verfasser mag immerhin eine Reihe von Jahren als Lehrer der Kunstgeschichte thatig
gewesen sein, als solcher auch die Bedürfnisse der Schüler nach einem kleineren Hand-
buch kennen gelernt, und auf die Abfassung eines solchen einen gewissen Fleiss verwendet
haben; ein Theil der Fehler, die in seinem Buche vorkommen, sind vielleicht auch
darauf zurückzuführen, dass ihm nur altere Auflagen seiner Hauptquellen: Schnaase und
Lübke etc. zur Verfügung standen. Aber auch die Rücksicht auf letzteren Entschuldigungs-
grund lässt noch eine übergrosse Menge von Tadelnswerthern übrig, dass wir leider es
aussprechen müssen: Herr Seemann erweist sich in seinem Buche als wenig gediegener
Lehrer, Schriftsteller und Historiker. Der erste Vorwurf gründet sich aufdie nicht glück-
liche und nicht gleichrnässige Anordnung des Stoffes, der zweite und dritte auf eine
grosse Zahl von höchst unklar gefassten Stellen und eine Reihe grober historischer
Schnitzer. Dieses Urtheil ist zu herbe, als dass es nicht belegt werden müsste, auf die
Gefahr hin, dass uns die gewöhnliche Entgegnung hingeworfen wird, es sei ein Leichtes,
aus einem Buche einzelne fehlerhahe Satze oder Daten aufzusuchen. Aber Fehler der
nachfolgenden Art dürfen einmal in einem Lehrbuche absolut nicht vorkommen. Was
soll sich z. B. ein Schüler dantnter vorstellen, dass bei den Assyrern (p. a5) eine gewisse
Gattung glasirter v-Ziegel ohne Cement von hinten auf der Wand befestigt wurden-