499
Von 188 Schülerinnen, die mit Anbeginn des letzten Schuljahres die
Schule besuchten, lernten i3 Telegraphie, 42 das Handelsfach, 30 Malen
auf Holz, Porcellan etc., 25 Blumenmachen, 18 Kleidermachen, 60 Nähen.
und Weißsticken.
Im Monate März war der Zndrang zu dem Unterrichte im Blumen-
machen so gross, dass die Aufnahme beschränkt werden musste.
Der Lehrcurs aus der Telegraphie erfuhr im Laufe des Schuljahres
einen bedeutenden Ausfall an Schülerinnen, welcher hauptsächlich durch
den Mangel an Aussicht auf baldige Anstellung veranlasst wurde.
Das Zeichnen und Malen wurde von vielen Mädchen mit Begeisterung
begonnen, welche letztere aber bei wenigen Schülerinnen verhielt; der
Erfolg, den diese Wenigen aufzuweisen haben, ist jedoch glänzend. Von
der Ueberzengung geleitet, dass das Talent für die darstellende Kunst tief
im italienischen Volksgeiste wurzle, und dass die Kenntniss des Zeichnens
die erste Grundbedingung sei, um auf dern Gebiete kunstgewerblicher In-
dustrie wahrhaft Erspriessliches zu leisten, hat die Direction der Schule
beschlossen, einen besonderen Zeichencurs auf die frühen Morgenstunden
anzuberaumen, damit die Arbeiterinnen der verschiedensten industriellen
Etablissements einige Stunden vor Beginn ihrer Berufsgeschäfte dem
Zeichenunterrichte widmen können.
Die absolvirten Schülerinnen legen öffentliche und Privatprüfungen
ab, zu welchen letzteren Fachlehrer und Professoren die ausserhalb des
Institutes stehen, zugezogen werden. Die Freimaurerloge wLa Ragionew hat
als Prämie für die beste l-Iandelsschülerin ein Sparcassebuch mit einer
Einlage von 20 Lire bestimmt. Dieses Vorgehen gab die Anregung zu
gleicher Prämiirung an den anderen Abtheilungen der Schule und die lei-
tende Commission sammelte die erforderlichen Beträge. Für die Zeichen-
und Malercurse wurden zwei silberne und fünf bronzene Medaillen als
Schülerprämien bestimmt, und die Mädchen erboten sich aus eigenem An-
triebe die bezüglichen Diplome mit Ornamenten zu schmücken, was, wie
die Directrice berichtete, so über alle Erwartung gelang, dass die Schüle-
rinnen durch diese Arbeit klar bewiesen, wie vortrelflich sie das Erlernte
in Anwendung zu bringen und nutzbar zu machen wüssten. Die Schule
untersteht einer Commission von sieben Damen, welche der Verein aus
seinen Mitgliedern erwählt; die eigentliche Leitung führt eine Directrice
und deren Stellvertreterin.
Als eine der schwierigsten Aufgaben, welche sich nach Errichtung
der Schule geltend machte, erwies sich die Aufrechthaltung jener Disciplin,
welche eigentlich durch die Erziehung im Hause, durch die Familie ver-
mittelt werden soll. Pünktlichkeit in dem Einhalten der Schulstunden und
verwandte Leistungen waren schwer zu erzielen; die Ausnahmstellung, die
Bestimmung einer ernsten, weitabsehenden Fachschule für Frauen, die un-
bedingte Consequenz, welche eine solche Schule fordert, werden den Schüle-
rinnen und ihren Eltern erst nach und nach ganz verständlich.