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zu den Seltenheiten. Auch Sempers Bemerkungen über die damalige Ein-
wirkung der akademischen Künstler aufedie Kunstindustrie, über den
Mangel eines inneren Zusammenhanges zwischen Bestimmung eines Gegen-
standes und dessen Ausschmückung, den Mangel an Rücksicht auf die
Natur des Stolles und die Technik und anderes mehr haben noch keines-
wegs alle Bedeutung für die Gegenwart eingebüsst.
Nach eingehender Besprechung der Ursachen des ungünstigen Standes
der Künste in England erklärt er sich mit Entschiedenheit gegen die Idee
reines künftigen Künstlerareopagsu und Vormundschaftsanstalten des _Volks-
geschrnackes; viel besser, äussert er wiederholt, dass noch lange Zeit
geirrt werde, als dass das Volk sich des unveräusserlichen Rechtes begebe,
bei dem, was es bestellt oder kauft, dem eigenen Gefallen zu folgen.
Nur Gelegenheit müsse geboten werden zur Bildung des Volksgeschmaclrs
und zwar durch l. Sammlungen, 2. Vorträge, 3. Werkstätten, 4.. Wett-
eifer und Prämien. Sammlungen und öffentliche Monumente nennt er die
wahren Lehrer eines freien Volkes; man habe jedoch bisher nur gelehrte
Kunstsammlungen gegründet, die das Volk auf seinem dermaligen Stand-
punkte der Kunstbildung gar nicht verstehen könne, und deren Inhalt
auch den Kunstkennern oft unverständlich bleibe, da er zum Theil aus
Bruchstücken bestehe, die aus ihrem ursprünglichen Zusammenhange her-
ausgerissen wdrden. Weit geeigneter zu Sammlungen seien solche Gegen-
stände der Kunst, die von Ursprung her keinem bestimmten Platze an-
gehörten. An diesen müsse sich der Volksgeschmack erst wieder erholen,
weil sie das Früheste waren, woran sich der Kunstsinn des Menschen
bethiitigte. Er verlangt nun solche Sammlungen der keramischen Kunst
mit Einschluss der verwandten Glas-, Stein- und Metallwaaren, dann der
Textilkunst, der Holzarbeit, der Kunst des Maurers und des Ingenieurs;
jede dieser vier Abtheilungen nach einem zugleich historisch-ethnographischen
und technologischen Plan geordnet und verbunden durch eine Modell-
samrnlung, in welcher der Zusammenhang der Industrie mit der Baukunst
und den übrigen Künsten studirt werden könnte. Die Vorträge hätten jene
Sammlungen zu erläutern und vor Allem die Lehre von den Stilerforder-
nissen und die Technologie zu behandeln. Für die l-Ieranbildung von
Künstlern und Kunsthandwerkern legt er den grössten Nachdruck auf den
Werkstattunterricht, verlangt namentlich, dass in den Zeichenschulen der
Zögling von Anfang an einsehen lerne, dass die Zeichnung in den meisten
Fällen Mittel zum Zwecke, nicht an sich Zweck ist. Das brüderliche Ver-
hältniss desMeisters zu seinen Gesellen und Lehrlingen wird, so hellt er,
die Akademien und die Inclustrieschulen nach ihrer damaligen Einrichtung
in Wegfall bringen, Belohnungen und Auszeichnungen erwähnt er eigent-
lich nur, um auf deren bedenkliche Seiten hinzuweisen.
Den so in grossen VZügen entworfenen Plan führt Semper, wie
erwähnt, in der zweiten Arbeit wenigstens zum Theil im Einzelnen aus.
Dieselbe gliedert sich in drei Abschnitte: Ueber Sammlungen überhaupt,