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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 178)

auf einen wirklich gediegenen und geschmackvollen Einband geben [und 
sich denselben auch etwas kosten lassen, gar seltene Leute. 
Aber mehr-noch. Ein solcher gediegener und geschmackvoller Ein- 
band ist nicht nur nicht bei uns zu Hause, es wird auch nicht einmal 
der gewöhnliche Masseneinband, wie ihn Verleger und Buchhändler zu 
tausenden für die v-Salon- und Geschenkliteratura verlangen, in Wien oder 
überhaupt in Oesterreich fertig hergestellt. Leipzig liefert die Zeichnung, 
stellt die Graveure und macht die Stanzen, ja in den meisten Fällen bleibt 
unserem Buchbinder nichts übrig, als das brochirte Buch in die fertige 
Decke einzuhängen - wahrlich eine echte kunstgewerbliche Arbeit und 
sehr würdig des Aufschwunges, den die österreichische Industrie jüngstens 
genommen hat! Wollte man eine österreichische Buchbinderausstellung 
machen mit Ausschluss der fremden Arbeit, sie wäre gar nicht möglich, 
sobald man nur einige künstlerische Anforderungen erhebt, nicht weil 
unsere Buchbinder nicht leistungsfähig wären, sondern weil die Zustände 
so sind, wie wir sie geschildert haben. Der Bedarf kommt eben heute aus 
der Fremde. 
Man wird mir nun hiegegen die Wiener Prachteinbände von Adressen, 
Diplomen, Gratulationsschreiben u. s. w. entgegenhalten, wie sie aus den 
Ateliers von Leopold Groner, August Klein, Pollak ILJOPPlCh und 
anderen hervorgehen, Arbeiten, welche auf allen Ausstellungen - und 
vollkommen verdientermaßen - Ehren und Auszeichnungen davongetragen 
haben und als einzig von aller Welt anerkannt worden sind. Aber dies 
sind Ausnahrnsarbeiten, mit denen wir übrigens auch noch ein Wort zu 
reden haben werden. Hier handelt es sich um den eigentlichen Buch- 
einband, um 'die Bücher des Bücherfreundes, der Haus- und Familien- 
bibliotheken, um die Bücher des Salons, welche doch, mehr ein Aufputz 
des Zimmers und des Tisches denn geistiger Bedarf oder nutrimentum 
spiritus, mit Friedrich dem Großen und seiner Bibliothek zu reden, vor 
allen anderen sich in geschmackvoller Hülle darstellen sollten. 
Aber gerade diese letzteren sind es, welche auch das ästhetische 
_ Uebel auf ihrem Gewissen, vielmehr auf ihrem Rücken tragen. Nicht bloß, 
dass sie selbst für österreichische Bücher außer Landes so gut wie fertig, 
wenigstens in ihren Hauptbestandtheilen fertig hergestellt werden, sie haben 
auch mit ihren grellen Farben, ihrem vielen Golde und der widersinnigen 
Art der Verzierung nach Form und Gegenstand einen gänzlich falschen 
Geschmack verbreitet. Als wir in unseren Salons noch weiße Wände mit 
goldenen Ornamenten und Möbel mit himmelblauem oder orangefarbenem 
Atlas hatten - wie weit liegt dieser Geschmack heute schon hinter uns! 
- da harmonirten sie wenigstens mit ihrem grellen Glanze zu diesen Con- 
trasten. Heute aber sind sie eine Anomalie; sie passen nicht mehr zum 
modernen Geschmacke, der nach Solidem verlangt; sie scheinen nur und 
sind nichts. c
	        
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