182
nur um auf die Schwierigkeiten und den Ernst der künstlerischen Vor-
studien zum Naturstudium hinzuweisen, denn wenn auch Zöglinge einige
Gypsformen nach Naturobiecten, einige Zeichnungen von Landschafts-
blättern von Calame, von Schirmer oder Thierstudien von Rosa
Bonheur copirt haben, so werden dieselben zwar in ihrer allgemein en
Kunstbildung gefördert, aber nicht in ihrem künstlerischen Können
und wirklichen Verständniss der Natur. Zwischen allgemeiner Kunst-
bildung und dem künstlerischen Verständniss und Können liegt eine große
Kluft. Dieses braucht viel mehr Zeit und ernsteres Fachstudium, als es an
Realschulen möglich ist, selbst auch dann möglich wäre, wenn das Zeit-
maß für den Zeichenunterrichtangemessen erweitert würde, wie dies ja
dringend nüthig wäre.
Dass es nicht schaden könnte, wenn der künstlerische Lehrapparat
für den Zeichenunterricht im Interesse der Lehrenden und Schüler in jener
Richtung erweitert würde, in welcher es von Prof. J. Langl {gewünscht
wird, ist selbstverständlich. Ein so erweiterter Lehrapparat würde jenen
Zeichenlehrern an Realschulen nützlich sein, welche selbst Künstler
genug sind, um mit diesem Apparate künstlerische lmpulse ernster Art
hochbegabten Schülern ertheilen zu können. Aber ein solcher Apparat
wird nur bei Ausnahmslehrern und Ausnahmsschülern erfolgreich wirken;
in allen andern Fällen würden Selbsttäuschungen bei Lehrern und lllu-
sionen der schlimmsten Art bei Schülern die Folge sein, die sich häuhg
einbilden, dass sie bereits mit Einem Fuße inmitten der Kunstwissenschaft
und der Architektur stünden, während selbst die begabtesten Realschüler
ihrer ganzen Vorbildung nach kaum im Vorhofe dieser Disciplinen stehen.
Aber da jetzt Professor J. La ngl die Fragen über die humanisti-
schen Ziele der Realschule angeregt hat, und zwar auf Grund von Er-
fahrungen, die an der Realschule gemacht wurden, so möchte ich , was
schon früher angedeutet wurde, dringend rathen, die Erörterung dieser
Fragen nicht mit der lvlinweisung auf die Nothwendigkeit des strengen
Festhaltens an dem gegebenen Lehrplane barsch abzubrechen, sondern
wünschen, da doch der vorhandene Lehrapparat schon aus Rücksicht
auf die verfügbaren Mittel nicht vollständig ist, und abgeschlossene
Erfahrungen nicht vorliegen, dass idie angeregten Fragen nicht spurlos
verhallen, sondern Anlass geben, bereits Angebahntes fortzusetzen, und
neu auftretenden Bedürfnissen wohlwollende Aufmerksamkeit zu schenken.
Der Reform des Zeichenunterrichtes, die erst in den letzten Jahren in
Oesterreich in Angriff genommen wurde, kann es nur nützen, wenn Er-
örterungeh über die Principien des Zeichenunterrichtes in der Oeffent-
lichkeit Platz greifen. Um aber über die Grundfragen des Zeichenunter-
richtes in's Klare zu kommen, ist es unerlässlich nöthig, folgende
Grundsätze im Auge zu behalten: r. Jeder Zeichenunterricht in Schulen
ist ein Kunstunterricht, auch dann, wenn er sich mit der Fertigkeit des
Zeichnens beschäftigt; 2. ieder richtig geleitete Zeichenunterricht fördert