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mehr den exclusiven Anwerth wie früher; die Concurrenz anderer Fabri-
cationen macht sich höchst fühlbar. Der Grund hievon möchte schwerlich
in einer großen Preisdifferenz zu Ungunsten unserer Producte zu suchen
sein, wohl auch nicht darin, dass etwa unsere Wagenindustrie zurück-
geschritten wäre, was keineswegs der Fall ist, weit eher aber darin, dass
sie nicht genug rasch und energisch vorgeschritten ist, dass sie sich zwar
nicht hinsichtlich der Solidität, wohl aber hinsichtlich der Eleganz, und
was vielleicht noch wichtiger, hinsichtlich der wahren Schönheit über-
üügeln ließ. Ich nehme hier den Begriü nelegantu als ziemlich identisch
mit vmodernu an, wovon ich ßschöni- sehr scharf unterschieden wissen
möchte. Immerhin genießt aber die Wiener Wagenindustrie noch zur
Stunde einen so hervorragenden Ruf, dass es wohl nicht allzuschwer
fallen kann, ihn wieder auf seine alte, ganz eminente Höhe zu bringen.
Und dazu könnte, wie ich fest überzeugt bin, die edlere Schwester der
prosaischen Industrie, die Kunst, hilfreiche Hand bieten, ganz abgesehen
davon, dass es auch ohne solche materielle oder wirthschaftliche Rück-
sichten, für Kunst und Künstler eine würdige Aufgabe ist, eine ganz
neue Gattung von Producten des Gewerbeileißes zu sich emporzuziehen,
dieselben gleichsam zu idealisiren.
Die Wiener Wagen sind meist solid gearbeitet, bequem, für ihre
speciellen Zwecke wohl geeignet und auch nicht übertrieben theuer; sie
sind auch eleganter oder moderner Facon, aber einem nur einigermaßen
besseren Geschmacke vermögen weder die gerade am meisten üblichen
Formen, noch die Zierrathen, fast niemals die Ueberzüge der Sitze, und
am allerwenigsten die Farben zu genügen. Leider bin ich weder aus-
übender Künstler noch Kunsttheoretiker, und daher durchaus nicht im
Stande auch nur annähernd ein Programm aufzustellen, wie vorgegangen
werden müsste, um ein künstlerisches Moment in die Wagenfabrication
zu tragen, allein immerhin will ich versuchen anzudeuten, inwieferne
dieses meiner Anschauung nach geschehen könnte und sollte.
Ich bin überzeugt, dass Jeder, der nur einigen Schönheitssinn und
einige Phantasie besitzt, wenn er einen der landläuiigen eleganten Wagen
aufmerksam betrachtet, sich denselben schöner geformt, reicher und besser
verziert, geschmackvoller austapezirt, und in hübscheren Farben vorzustellen
vermag. Nehmen wir als Beispiel einen bestimmten, allbekannten, überdies
besonders hässlichen Typus, den sogenannten englischen Kutschirphaäton;
er gilt unter den ganz leichten, offenen, zum Selbstkutschiren, bestimmten
Wägen fast allein für uelegant-i; und doch kann man sich schwerlich
etwas Hässlicheres denken, als den steifen, länglich viereckigen Kasten mit
den zwei flachen Sitzen und deren winzig niedrigen, aus lackirten oder
mit schwarzem Lackleder überzogenen Stäben, bestehenden Lehnen. Muss
denn ein Wagen, welcher dem Luxus, dem Vergnügen des Spazieren-
fahrens und Lenkens feuriger Rosse dient, in der Zeichnung seines Kastens
aus lauter horizontalen und verticalen geraden Linien mit scharfen Ecken