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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 184)

BEILAGE 
zu 
Nr. 184 der „Mittheilungen des k.k.Oesterr. Museums". 
Vorlesungen Im llaaaum. 
Der heurige Cyclus von Vorlesungen an den Donnerstag-Abenden wurde vom Vice- 
Director Regierungsrath J. v. Falke begonnen und brachte derselbe am 4., u. und 18. 
November in Fortsetzting der in früheren Jahrgängen gehaltenen Vortrage seine Geschich ' 
des Costümes zum Abschlusse. Am ersten Abende behandelte er die Zeit des dreißig- 
jährigen Krieges, unter dessen Einfluss und dem allgemeinen Streben nach Befreiung von 
der spanischen Steifheit in Deutschland, wo der große Kampf der Nationen und Confess 
sionen ausgefochten wurde, das Costüm auch einen durchaus kriegerischen! oder wenig.- 
stens herausfordernden Anstrich erhält. Der Krieg bringt Stiefel und Sporen in den Salon, 
und setzt statt des bisherigen Htltchens aus Sammt oder Seide den gewaltigen Filzhut 
auf den vornehmsten Kopf und die bestduftenden Locken. Das erste Opfer ist der steife 
spanische Kragen, er muss der leichten Spitze weichen und bei Mannern und Frauen dem 
Haare wieder die volle Freiheit lassen. Mit der Veränderung des Schnhes zum wettnrv 
tüchtigen Reiterstiefel stand die Veränderung des Beinkleides und mit dieser wieder die 
Veränderung des Wammses, der Jacke in Zusammenhang. Die Zeit von 1630-1640 be- 
zeichnet die Blllthe dieses wohlbekanntcn malerischen Costümes. ln launiger Weise. durch 
Citate aus gleichzeitigen Witzblattern schilderte hierauf der Vortragende, wie sich die 
Abenteurer des Krieges oder die Löwen und Stutzer von Paris bald der neuen Mode mit 
aller Launenhaftigkeit undBizarrerie des Monsieur ä la rnode bemachtigten. Bereits beganri 
Frankreich die Herrschaft im Bereiche der Mode für sich in Anspruch zu nehmen, u. zw. 
zuerst durch Zähmung der deutschen verwilderten Formen der Mode für den Salon. Da in 
jenen stürmischenZeiten die Männer den Ton angaben, so folgten diesmal auch die Frauen 
der Parole nach Befreiung. Decolletirung, Lockenfrisur, freier Fall der Jacke, der Robe 
und des Unterkleides sind Zeugnisse für diese Tendenz. Das Ende des großen Krieges 
brachte wieder eine Wendung mit sich. Das ermattete Deutschland, das puritanische Eng- 
land, und Frankreich unter der Witwe Anna von Oesterreich und ihrem Günstling Mazariu 
drangen allenthalben zur Vereinfachung in Form und Farbe, zur Verpönung des früheren 
übermüthigen Luxus in Geschmeide und Spitzen. Frankreich übernimmt nun definitiv die 
Führung, um sie bis heutzutage nicht mehr aus der Hand zu lassen. Der Aufschwung 
seiner Literatur, die Begründung des wahren Salonlebens und somit der Herrschaft der 
Frau, der Glanz am Hofe des jungen Ludwig XIV. und das Erblühen der lndustrie durch 
Colberfs Maßnahmen lassen diese Thatsache begreiflich erscheinen. v 
Der zweite Vortrag entwarf ein Bild von der glänzenden, prachtvoll aufgebauschten 
und pathetisch ceremoniosen Gesellschaft am Hofe Ludwig XIV. und skizzirte die Gea 
schichte des Costmns in dieser und der nächstfolgenden Zeit bis etwa 1750. Großartig in 
 
der Anlage, wurde die Kleidung grotesk und barock in der Erscheinung; auf Pracht und_ 
Prunk ausgehend wusste sie gleichwohl nicht von der Kunst des Luxus den rechten Gebrauch 
zu machen. Die Rhingrave-Beinkleider, der federgeschmückte Hut, die Spitzen, Schnüre, 
Schleifen, die Belfchen als Reste des früheren Kragens, die Steenkerkctüchlein um den Hals, 
sie hatten dem Costdm noch etwas malerisch freien Zug belassen. Mit der zunehmenden 
Selbstvergütterung, dem Alter und der hierauf beginnenden Bigotterie des großen Ludwig 
kam auch in jene lutlige Pracht der Kleidung eine gewisse Versteifung im Sinne dcr Eti- 
quette und der Perrücke: Die alte Schaube des XV. und XVlJahrhs. kommt als Justau- 
corps mit Manches a bottes, Knöpfen und Goldstickerei wieder in die Mode, vortrefflich 
passend zur Allonge errücke, welche zwischen t67o und 1680 bereits ihre volle Hohe 
erreicht hatte. Die eschichte dieses Costnmstnckes von seinen bescheidenen Anfängen bis 
zur Ausartung nahm selbstverständlich eingehende Schilderung in Anspruch. Und den 
Männern nachahmend hatte auch die Frau ihre Kleidung umzugestalten gewusst, aber 
diesmal bereits selbstandig, da sie ja herrschte im Hause, in der Gesellschaft und in der 
Politik. Die Fontanges. das Corsett, der großartige Faltenwurf des Manteau über Bouf- 
fanten, hohe Stöckelschuhe waren mit geringen Variationen die lnventarstücke des fran: 
zosischen, also Allerweltcostnms fast durch ein halbes Jahrhundert, bis seit der leicht- 
fertigen Wirthschaft untenPhilipp von Orleans an Stelle der Frömmigkeit die Frivolitat, 
anstatt des Pomposen und Schwerfalligen der Barnckzeit die Capricen des Rococo. die 
Schwarmerei für das Zierliche, die Bagatelle voll Laune und falscher Grazie traten. Die 
Lieblingsstücke der Damen wurden die Mouches, die Schönpßasterchen mit lächerlichem Spiel 
vut. au. issi. 2
	        
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