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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 188)

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Rechtsspruch unter die Aufsicht des Rathes gestellt. Ihre militärische Or- 
ganisation schatfte die Mittel, die Urtheile in Kraft treten zu lassen. 
Damit ist im dürftigen Umrisse das wesentlichste des alten deut- 
schen Zunftwesens erschöpft. Macht dasselbe im Einzelnen den Eindruck 
der Sicherheit und der Solidität, so gewinnt es geradezu den Charakter der 
Großartigkeit, wenn wir die Zünfte untereinander, soweit des deutschen 
Reiches Marken reichen, in Vereine zusammentreten sehen. Denn so wie 
der deutsche Ritterstand sich als Eine große Innung begrilf, so wie die deut- 
schen Kaufleute Eine große Gilde oder Hanse bildeten, so war auch den 
Handwerkern die Vorstellung gekommen, dass sie untereinander Eine große 
deutsche Genossenschaft darstellten - ich erinnere nur an den Bruderbund 
der Steinmetzen mit der Straßburger Bauhütte als Mittelpunkt. Nach 
dieser Ueberzeugung, unterstützt durch die Gepflogenheit des Wandetns 
der Gesellen, gestaltete sich ein gemeinsamer deutscher Handwerkerbrauch, 
ein gemeinsames deutsches Handwerkerrecht heraus, welches für die Erhal- 
tung des Nationalbewusstseins wahrlich mehr gethan hat als die große 
Politik von Kaiser und Reich. Und dazu kam die Achtung, kam der Ge- 
winn, welche das Ausland dem deutschen Handwerk entgegenhrachte. 
Macchiavell hatte Recht, wenn er Deutschland ndas reichste Reichs nannte. 
In vielen Dingen waren seine Handwerker die Lehrer der Menschheit ge- 
geworden: sie, die zünftigen Genossen, hatten den Buchdruck und das 
Uhrwerk, die Papiermühlen und das Spinnrad, den Drahtzug und die 
Nadeln erfunden, und mit reichemLohne lohnte die staunende Welt seinen 
Meistern. 
Nach zwei Jahrhunderten lag der ganze stolze Bau in Trümmern 
und musste nach dem dreißigjährigen Kriege neu aufgeführt werden. 
Die Zünfte bestanden noch, aber sie waren nur mehr die Schatten der 
früheren lebenskräftigen Institutionen. Darzustellen, wie sie verfielen, 
würde zu weit führen; genug mit dem, dass die moderne absolute Staats- 
gewalt sie ihres öffentlich-rechtlichen Charakters, ihrer Jurisdiction und 
ihrer Polizeibefugniss entkleidete und sie auf das Niveau privatrechtlicher 
Genossenschaften herabdrückte. Damit fiel für die Zünfte von selbst die 
Verpflichtung, das Wohl der Consumenten zu bedenken, hinweg, und sie 
beschränkten sich fürderhin darauf, ihr allereigenstes Interesse mit dem 
crassesten Egoismus wahrzunehmen. Natürlich musste das Handwerk an 
Achtung und Geltung wieder verlieren, was es sich früher in so reichem 
Maße errungen hatte. An Zeugnissen hiefür fehlt es nicht. In einem 
Buche über nStaatsklugheit-i vom Anfange des vorigen Jahrhunderts heißt 
eine Stelle: "Die Ursache der negligirten Manufacturen ist die Verachtung 
der Handwercksleute in Teutschland, dass ein jedweder Dinten-Lecker 
einem rechtschaffenen Handwercksmann und Künstler vorgezogen wird. 
Dahero es kommen ist, dass die Eltern nur die dümmsten lngenia auf 
die Handwercker schicken, wo, sie aber nur ein wenig gute Naturalia 
bey einem Kinde rnercken, da muß es studiren, und soll ein Doctor oder
	        
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