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glase, insbesondere dem goldgrünen mit aufgeschmolzenem, andersfarbigem
Zierrath erschienen und die Compagnia Venezia-Murano hat eine Anzahl
ihrer berühmten Arbeiten im Altvenetianer Stil zur Schau gestellt.
Weit zahlreicher hat sich natürlich die Keramik im engeren Sinne
eingefunden. Ohne damit eine Rangordnung statuiren zu wollen, lassen
wir dem Porzellan den Vortritt. Der eigentliche Krug ist aus diesem Stelle
nicht oft gemacht worden; seine Blütezeit fällt vor die Entdeckung des
Caolins in Europa. Aus dem rotben Böttger-Porzellan gibt es richtige
Seidel; auch später fabricirte man noch dergleichen in Meißen, heutzutage
aber nur den eigenthümlichen sächsischen Weinkrug mit verschließbarem
Ausgussrohr. Einen Krug oder eine Kanne mit reicher Bemalung in Farben,
Gold und Platin hat der Verein der Glas- und Porzellanmaler in Wien
ausgestellt. Die technisch sehr tüchtige Arbeit leidet nur unter einem
gegenwärtig nicht seltenen Missgrilfe, der Verbindung verschiedener, durch-
aus nicht zu einander passender Ornamentationsweisen. Um den Bauch
des Gefäßes zieht sich ein Band Arabesken in-der Art Flötner's, und
dies wird ganz unvermittelt unterbrochen durch Landsknechtfiguren, Or-
nament in der Weise Dietterlin's und Medaillon mit dem Bildnisse Kaiser
Maximilians l. Die einzelnen Motive sind unverkennbar dem Hirthkchen
Formenschatz entlehnt, aber dies ist nicht die Manier, wie die verdienst-
liche Publication von der heutigen Kunstindustrie benützt werden soll und
kann. Denn die willkürliche Aneinanderreihung des verschiedenartigen
Details muss selbst dem Betrachter auffallen, der an der Stilvermengung
sonst keinen Anstoß nehmen würde.
Eine außerordentliche Ueberraschung hat den Freunden der Keramik
die königliche Manufactur in Berlin bereitet. Es ist heute wohl keine In-
discretion mehr, zu erzählen, dass im Jahre 1876 in München ernste
Zweifel bestanden, ob man die einst so berühmte Fabrik noch in die Reihe
der ersten ihrer Art stellen dürfe, und dass man sich nur vor der Ver-
antwortlichkeit scheute, durch ein bei solcher Gelegenheit ausgesprochenes
Urtheil möglicherweise über die Berliner Anstalt dasselbe Geschick herauf-
zubeschwören, welches ein Jahrzehnt früher die Wiener erreicht hatte.
Die v-Opportunistenu, welche sich damals zu einer Concession verstanden,
brauchen das nicht zu bereuen, denn seit der Münchener, ja selbst seit
der Berliner Ausstellung von 1879 hat die dortige Manufactur gerade
ungeheuere Fortschritte gemacht. Masse, Formen und Decoration sind
gleich vorzüglich und zum Theile ganz eigenthümlich. Die Gefäße von
Elfenbeinmasse mit zartem Decor, welcher allerdings an den japanischen
Stil anklingt, aber nicht dessen Extravaganzen nachätft, und die pracht-
vollen rothen, olivengrünen etc. Glasuren sind ganz geeignet, allgemeines
Aufsehen zu erregen. Die glücklichen coloristischen ElTecte werden von
Jedermann empfunden; aufmerksam zu machen braucht man nur auf zwei
technische Fortschritte. An verschiedenen Exemplaren ist nämlich, wie das
auch in Japan geschieht, das Ornament in die farbige Glasur derart gra-