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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 192)

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sie es von Jugend auf gesehen hatten, ohne zu klügeln und abzuwägen, 
ohne zu ahnen, dass sie Etfecte hervorbrachten, welche einst mit großer 
Aufmerksamkeit würden studirt werd'en. 
Nichts kann uns eindringlicher predigen, wie weit wir, gerade die 
Gebildeten, während des letzten Jahrhunderts in Sachen des Kunstgefühls 
zurückgeworfen worden sind; nichts deutlicher das Ziel zeigen, welches 
zu erreichen wir bestrebt sein müssen. Was wir an dem Teppichknüpfer 
im Orient am meisten bewundern, was wir an ihm beneiden, die Unbe- 
fangenheit und Sicherheit in den Farbencombinationen, dessen könnte sich 
auch so mancher Hafner im Abendlande rühmen, freilich in Gegenden, 
welche abseits der Verkehrscentren liegen. Wie jener an einem Webstuhl 
von vorhomerischer Einfachheit arbeitet, ist dieser unberührt geblieben 
von allen Verbesserungen, welche Mechanik und Chemie in die Thon- 
industrie gebracht haben, seine Farbenpalette ist äußerst beschränkt, aber 
wie er die wenigen Töne init wenig Kunst hinsetzt, so stimmen sie zu- 
sammen, gleich denen der wildwachsenden Wiesenblumen. Vergleichen wir 
die bunten Gefäße, welche in Vorderasien nach Art der rhodischen oder 
persischen gemacht werden, die Krüge, welche die Stube des sächsischen 
Bauers in Siebenbürgen schmücken (wer erinnert sich nicht, sie in langen 
Reihen in dem sächsischen Hause der Ausstellung von 1873 gesehen zu 
haben), die mancherlei Geschirre aus Calabrien, die aus dem Schwarzwalde 
stammenden u. s. w.; überall die gleiche glückliche Keckheit in Zeichnung 
und Färbung. Nun kommt der einsichtige Künstler oder Fabrikant über 
die Sachen, merkt ihnen die Geheimnisse ihrer Wirkung ab, eignet sich 
dieselben an - dieselbe Wirkung erreichen kann er nicht. Die einsichtigen, 
künstlerisch gebildeten unter unseren Fabrikanten sind auch gar nicht in 
Zweifel darüber, weshalb sie es nicht können. Machen sie ein Kunstproduct 
höherer Gattung daraus mit strenger Zeichnung, wohlabgewogener Anord- 
nung, so ist das natürlich etwas ganz anderes; neben den unbestrittenen 
Vorzügen mangelt ihm doch der Reiz der Naivetät; und der heutige 
Arbeiter ist wohl gewöhnt, eine Vorlage so treu als möglich zu copiren, 
nicht aber innerhalb weiterer Grenzen sich selbstständig frei zu bewegen. 
Auch das liesse sich durch Beispiele in Menge belegen. Was sich in der 
zuversichtlichen Schöpfung des bescheidenen Hafners ausspricht, wird in 
der ängstlich abgezirkelten Nachbildung des Fabriksarbeiters uninteressant, 
die Unvollkommenheit, z. B. im Zeichnen des Figuralen, an der wir dort 
keinen Anstoß nehmen, wird beleidigend. 
Aehnlich verhält es sich mit vielen älteren Majoliken und Fayencen. 
Es kann Niemandem einfallen, alles Gefällige und Originelle an solchen 
Arbeiten als aus bewusster Absicht entstanden anzusehen. Eine besonders 
elfectvolle oder interessante Glasur ist höchst wahrscheinlich durch den 
Zufall zuwegegebracht und dem Verfertiger vielleicht nicht zum zweitenmal 
gelungen; oder er kam doch erst nach vielen Experimenten darauf, dass 
etwa ein Luftzug während des Brandes die neue Farbennuance geschaffen
	        
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