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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 192)

habe - dergleichen Erfahrungen werden auch beute gemacht. In anderen 
Fällen beruht gerade in der Flüchtigkeit der Zeichnung oder in der 
Sorglosigkeit, mit welcher das Colarit angebracht wurde, ohne den,Umriss 
gänzlich zu füllen, der Reiz eines Stückes. 
Das Gesagte könnte nun möglicherweise so verstanden werden, als 
ob es besser wäre, unsere Arbeiter nicht höher zu schulen, sondern sie 
in die Gebirgsdörfer in die Lehre zu schicken. Selbstverständlich liegt uns 
diese Meinung fern. Aber vergegenwärtigen müssen wir uns immer wieder, 
dass nicht, wie Mancher annimmt, in einigen Jahren oder Jahrzehnten das 
Verlorene wieder gewonnen werden kann. Noch lange Zeit wird vergehen, 
bis ein gewisses Kunstgefühl wieder Allgemeingut geworden ist und die 
von Verbildung gereinigte Bildung und der unverdorbene Instinct einander 
wieder auf demselben Boden begegnen. Der Process wäre wohl mit dem- 
ienigen zu vergleichen, welchen die deutsche Sprache im vorigen Jahrhundert 
durchzumachen gehabt hat, um von dem Schwulst und von den fremden 
Schlacken frei zu werden. Auch das unselige Vorurtheil müssen wir vor 
allen Dingen überwinden, dass es in der bildenden Kunst verschiedene 
Rangclassen gebe nach dem Material, welches dem Künstler dient: erste 
Classe Malleinwand, Oelfarben, Marmor, Erz u. s. w. Ueber dieses Vor- 
urtheil zu klagen, haben gerade unsere tüchtigsten Leute auf dem Gebiete 
der Keramik Ursache. Sie machen immer neu die Erfahrung, dass Kunst- 
jünger glauben würden, herabzusteigen, wenn sie sich entschlössen, einen 
Teller oder eine Kanne zu bemalen. Lieber rnit Schmerzen und vergeblich 
warten, dass ein Mäcen oder Kunsthändler ihnen die Bilder abnehmen 
werde, welche alle Wände des Ateliers bedecken, als mit dem Malen auf 
Staubglasur sich eine sichere und behagliche Existenz gründen! 
Die an solchem falschen Stolze Laborirenden möchten wir vor den 
Glasschranlt führen, in welchem verschiedene Gefäße, vornehmlich Majoliken, 
aus dem Besitze des Freiherrn N. v. Rothschild aufgestellt sind; und zwar 
würden wir ihre Aufmerksamkeit nicht in erster Linie auf die großen 
Prachtstücke lenken, von welchen eines den berühmten Namen des Orazio 
Fontana von Urbino trägt, sondern auf die aus drei Stücken (Napf, 
Untersatz und Deckel) bestehende Wöchnerinnenschale. Würden sie leugnen, 
ein Juwel vor sich zu haben, und würden sie wirklich glauben, der 
Künstler, welcher Wände und Ränder der Gefäße mit den köstlichsten 
Grotesken bedeckte, die Spiegelflächen aber mit Kinderstubenscenen würdig 
des besten Meisters und mit wahrhaft entzückenden Putten - der Künstler 
wäre höher zu schätzen, wenn er die Sachen mit Oelfarben gemalt hätte? 
Da tritt uns ein echtes, gesundes Kunstleben leibhaft entgegen. Dass die 
Schale als Geschenk für eine vornehme Dame in einer sehr renommirten 
ubüttegau bestellt worden, und dass der Maestro sein höchstes Können 
darangesetzt habe, ist anzunehmen; er war aber ein Kunsthandwerker, 
wie wir heute sagen würden, nicht etwa ein whöherer- Maler, welcher 
sich gelegentlich zum Handwerk herabließ, ebensowenig jedoch ein
	        
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