MAK

Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 194)

+83", 
Die Pfianzenarabeske ist, wie gesagt, die idealste Verkörperung des 
Pßanzenwuchses und in ihrer Gestaltung frei und unbeschränkt wie die 
ewig schaffende und bildende Natur. 
Eines der schönsten Exemplare dieser Gattung ist an dem Prälaten- 
grab in der Kirche Sa. Maria del popolo in Rom von der Meisterhand 
des Andrea Sansovino. Von einem Mittelpunkt aus, der durch eine Maske 
und darüber angebrachte Füllhörner mit pickenden Tauben etc. bezeichnet 
wird, gehen zwei Pflanzenstengel in ungemein graziösen Windungen nach 
den beiden Seiten auseinander, setzen leicht geschwungene Blätter und 
Ranken an und schließen in prachtvollen Blumendolden ab. Die ganze 
Art dieser Composition gleicht einem frisch und harmonisch klingenden 
Lied ,' das in weichen Modulationen vom leisesten Piano bis in's stärkste 
Forte abwechselnd fortklingt und harmonisch und wohlthuend ausklingt. 
Ebenso graziös und fein empfunden ist die aufsteigende Pflanzenarabeske 
der italienischen Renaissance. Die mit ihr verzierten Pilaster gewinnen 
dadurch ein ideales pflanzenartiges Gepräge, und wenn wirklich die tem- 
poräre Ausschmückung der Kirchen- und Palastportale mit geschmückten 
Bäumen etc. dazu Veranlassung gegeben haben soll, was aber höchst 
unwahrscheinlich ist, so klingt in solchen Bildungen diese Abstammung 
kaum mehr durch. Sie sind ganz selbständige, freie Schöpfungen einer 
üppig und doch in strengsten Grenzen sprudelnden Phantasie, einer Phan- 
tasie, die wie ein lustiges Lied in allen Variationen sich bewegt und doch 
stets den Grundton durch alle diese Variationen und Schwingungen be- 
wahrt und einhält. Nicht nur aber die Pilaster, auch andere verticale 
Flächen werden mit diesem Ornament geschmückt, und schließlich sehen 
wir dasselbe auch die Säulen in äußerst zierlicher Anordnung umschlingen. 
Ein Beispiel vom Letzteren sehen wir an dem schon erwähnten Prälaten- 
grab von And. Sansovino. 
ln allen diesen aufsteigenden Pflanzenarabesken lässt sich in Bezug 
auf die Composition die Regel verfolgen, dass eine fortwährende Steigerung 
vom Schweren zum Leichten, vom mehr Massiven bis zum ätherisch Luf- 
tigen stattfindet. Ausgehend von einem Laubgebilde, sehr häufig einem 
schön stilisirten Akanthus oder einer Vase als Unterlage, winden sich die 
Püanzenstengel, entweder in symmetrischer Anordnung doppelt um einen 
Mittelstab oder Kandelaber gruppirt, oder in freier Verästelung empor, 
schmücken sich mit Kränzen, Schildern, Tafeln etc. und endigen oben mit 
zarten Zweigen, worauf Vögel sich lustig schwingen, in Schalen, worauf 
Feuer brennt, in geflügelten Gestalten und anderen Elementen, welche 
eine scheinbare Verbindung dieser Abschlüsse mit der freien gewichtlosen 
Luft bewerkstelligen. 
Diese Pflanzenarabeske erfährt durch complicirtere Zusammenstellung 
eine ungemein große Mannigfaltigkeit. Namentlich geschieht dies durch 
Einfügung von figürlichen Darstellungen, durch Anbringen von vollstän- 
20'
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.