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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 183)

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Kunstfreunde und Gelehrte. An der Spitze des Vereines steht ein Bürger 
Wiens, ein Mitglied des Gemeinderathes, der hochgeachtete Advocat 
Dr. Moriz Lederer, ein Wiener von Geburt. Der Verein ist in seiner 
gegenwärtigen} wir sagen glücklichen Organisation , keine Parteisache, 
weder einer kirchlichen noch politischen Parteid Er unterscheidet sich vor- 
theilhaft von manchen Dombau-Vereinen Oesterreichs und des Auslandes. 
Es ist auch gut, dass die Statuten so eingerichtet sind, dass sie auch dem 
ärmeren Theil der Bevölkerung eine Theilnahme am Vereine 
gestattet. Wie die Kirche schon in der ersten Zeit ihrer Gründung nicht 
bloß für Reiche bestimmt war, so hat auch die Kunst in der Kirche die 
Aufgabe, für die künstlerischen Bedürfnisse der Armen und Unbemittelten 
des Volkes zu sorgen. Die Kunst in der Kirche ist zu allen Zeiten 
-ein lebendiger Theil der Volkskunst gewesen. 
Es kann uns nicht in den Sinn kommen, in diesen flüchtigen Zeilen 
die künstlerische Bedeutung des neuen Vereines zu erörtiun, aber wir 
können uns nicht versagen, auf einzelne Punkte wenigstens hinzudeuten. 
Die künstlerische Bedeutung des Stephansdomes liegt nicht allein in seinem 
Thurmbaue; vielleicht der wundervollste Theil des Domes ist der mächtige 
Hallenbau im lnnern. Er gehört zu dem bedeutendsten, was die de utsche 
Gothi k des späteren Mittelalters geschaffen hat. In dem deutschen Hallenv 
bau erblickt Franz Kugler - in dessen kunsthistorischen Betrachtungen 
über Baukunst glücklicherweise die Schlagworte der politisirenden Aesthe- 
tiker und Kunstschriftsteller nicht vorkommen -_eine nationale Reaction 
gegen fremde Bauweisen. Der Hallenbau der Stephanskirche steht in 
Mitte der großen Kunstbewegung, der man eine Reihe von gewaltigen 
Kirchen in Regensburg, Landshut u. s. i". verdankt. Die Bauhütte zu 
St. Stephan gehörte zu den großen Bauhüttan des deutschen Reiches; ihr 
Maclhtgebiet erstrgckte sich auf das ganze untere Donaugebiet von Wien 
ab, vwie eine Straßburger Urkunde von 145g meldet; die Bauhütte war die 
Kunstschule und der Kunstverein der damaligen Zeit. Dass heute wieder 
bei der Restauration der Kirche die Kunstfrage in den Vordergrund tritt, 
liegt _in den Traditionen gothischer Baukunst. Diese Traditionen in vollem 
Maße wieder aufzunehmen und im Geiste unseres Jahrhunderts fortzue 
bilden, ist Sache des Dombau -Vereines. ' 
Dass Dombautneister Friedrich Schmidt, die künstlerische leitende 
Kraft des Vereines sein wird , liegt in der Natur der Sache. So ver- 
dienstlicb auch das Wirken seiner Vorgänger im Dombau gewesen ist, 
keiner _kann sich rühmen, mehr geleistet zu haben als der Mann, der bis 
jetzt. die Außenrestauration des Domes und des Thurmes mit sicherer 
Hand durchgeführt hat. 
Ende October t88o. i R. v. E. 
Wir lassen nun den officiellen Bericht über die constituirende Ver- 
sammlung des neuen Vereines folgen: 
13'
	        
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