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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe VIII (1873 / 93)

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Versuchen wir es nunmehr, einen Umriss der ganzen Anordnung der Sammlung 
zu geben. Die ältesten Theile michen noch in das 15. Jahrhundert zurück. Unter diesen 
ragt ein vollständiger Reiterharnisch (1. Feld) schon gekehlt und mit lilienförmigen Ora 
namenten an den Rändern der Geschiebe der Brust geschmückt, hervor - ein Bild der 
ersten vollendeten Plattenharnische. Seine reiche, elegante Ausstattung macht es wahr- 
scheinlich, dass er im Besitze eines der Bürgermeister dieser Epoche war. An der Wand 
des Feldes, wo dieser Harnisch steht, sind drei Gruppen von Waffen, aus der Zeit der 
Kaiser Friedrich lV. und Max l. Langs der Wand des nächsten Feldes sind sechs halbe, 
geritTelte Mailänder Harnische aus der Zeit Max l. aufgestellt, an der NVand mehrere 
Beiderhander, zweihandige Schwerter, welche gewöhnlich von den auserlesensten Leuten 
des Fussvolkes getragen wurden, dann Aalspiesse und Helmbarten. An dieser und den 
folgenden Barrieren stehen Reislanzen, welche von den Reisigen im Kriege getragen 
wurden. Die Kehlung der Galerie langs der ganzen Seite dieses Saales füllen bemalte 
Tartschen - eine Specialitat des Wiener Waffenmuseums, indem diese hölzernen Schilde 
in anderen Sammlungen zu den grössten Seltenheiten gehören, während sie hier noch in 
grosser Zahl sich erhalten haben. Wir erinnern beispielsweise an das Hof-Waifenmuseum, 
wo sich nur ein paar Exemplare vorfinden. Aber nicht blos durch ihre Quantität impo- 
niren die Tartschen, einige sind darunter auch wegen ihrer reichen, fein durchgeführten 
Bemalung von hohem Interesse. Die schönste bemalte Tartsche, mit der Darstellung de: 
heil. Georg, deren Platz sich in der Fensternische zwischen dem 3. und 4. Felde be- 
iindet, wird eben durch die Restaurirschule des Belvedere's in guten Stand gesetzt; sie 
gibt uns einen interessanten Einblick in die Leistungsfähigkeit der Wiener Maler des 
15. Jahrhunderts. 
Unter den folgenden Rüstungen ist im 4. Felde ein vollständiger Reiterharnisch 
mit schwarzgeatzten Strichen hemerkenswerth, dessen Helm zu jener Gattung von Kopf- 
hedeckungen gehört, welche von Max l. erfunden und zuerst in den burgundischen Kriegen 
gebraucht wurden. lm 5. Felde beginnt die Reihe der Bürgerharniscbe, welche bis zum 
16. Felde reichen. Sie führen diese Bezeichnung, weil auf der Brust das Wiener Stadt- 
wappen eingeatzt ist. Sie wurden in den Jahren 1546 und 1571 von dem Stadlrathe in 
Nürnberg angekauft. Das Jahr 1546 ist in der Geschichte Wiens durch den egen die 
Secte der Wiedertäufer aufgenommenen Kampf hervorragend. In das Jahr 1 71 fallen 
jene glänzenden Feste, welche in Wien zu Ehren der Verrnahlung des Erzherzogs Karl 
von Steiermark mit Maria von Baiern gefeiert wurden. An diesen Festen war auch die 
Bürgerschaft lebhaft betheiligt, wie dies aus den prächtigen, der Sammlung Hauslab ange- 
hörigen Bildern hervorgeht, welche sich in der historischen Ausstellung vorfinden werden. 
Mit dem 15. Felde ist aber die Reihe der Harnische nicht abgeschlossen, sondern sie 
füllen die Wände bis zum 2 . Felde und zeigen die ganze Formenentwicklung der Bürger- 
bewaßhung von der Mitte es 16. Jahrhunderts bis zum Ausgange des Zojähr. Krieges. 
Von reicher Ausstattung sind die Harnische im 23. Felde, wahre Prachtstücke der Samm- 
lung. Ausser den Rüstungen finden sich aber an den Wänden die verschiedenartigsten 
Walfengattungen, wor_unter die Helmbarten, Beiderhander und Aalspiesse am zahlreichsten 
vertreten sind. 
Eine Ausnahme bilden nur die Felder 11 und 12 im Quertracte, eingeschlossen von 
drei Ruhmestempeln, in denen die Büsten des Grafen Niclas Salm, des Herzogs Karl von 
Lothringen und Rüdiger von Starhemberg aufgestellt sind. Sie kennzeichnen die beiden 
Epochen, in welche die glanzendsten Thaten der wehrhaften Bürger Wiens fallen. ln 
der That sind auch diese Ruhmestempel reich mit Siegestrophaen geschmückt, welche 
meist von den beiden Türkenbelagerungen stammen. Gleich ober dem Tempel der Büste 
des Vertheidigers der Stadt im Jahre 152g, Grafen Niclas Salm, hängt eine stark vergilbte 
und zerrissene Fahne, welche in ihrer schonen heraldischen Stylisirung des Stadtwappens 
darauf hinweist, dass sie in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts angefertigt wurde. 
Um diese Fahne schaarten sich die Bürger schon in den kriegerischen Tagen Friedrich lV., 
sie wurde vorangetragen bei festlichen Aufzügen und im Jahre x52g mag sie das ermuthi- 
gende Banner auf den Stadtwällen gewesen sein, unter welchem die Bürger vereint mit 
den kaiserlichen Hilfstruppen ihre letzten Kräfte daran setzten, dem Anprall der heran- 
stürmenden Feinde siegreichen Widerstand entgegen zu stellen. An dieses Banner schliessen 
sich 16 türkische Fahnen mit lnschriften, von denen 14 bei den Belagerungen vor Wien 
erbeutet wurden. Nur zwei, die grosse rothe Blutfahne und eine grüne, sind Geschenke 
des Herzogs Karl von Lothringen und des Feldmarschalls Laudon, welche sie bei Han- 
schabeck und Belgrad erbeuteten. 
Die Wande der beiden Felder 11 und 1a bedecken zum Theile sehr werthvolle 
türkische WaEen. Bemerkenswerth sind an dem Gesimse des mittleren Tempels Stern 
und Halbmond, dann der kaiserl. Adler mit dem Doppelkreuze. Erstere, die mittelalter- 
lichen Symbole der kirchlichen und weltlichen Gewalt, krönten seit dem Beginne des 
16. Jahrhunderts die Spitze des Stephans-Thurmes. Nach der zweiten Türkenbelagerung 
wurden sie, weil auch die Osmanen diese Zeichen dort aufpflanzten, wo sie siegten, mit
	        
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