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Volks- und Bürgerschulen. IX. Unterricht im Schreiben.
an den Formen einzelner Schriftzeichen, sowie an der Unterrichtsmethode An
stand genommen, während die Statthalterei zu Brünn für die nach demselben
Principe erzeugten Pokorny’schen Schreibhefte eine Lanze einlegte, worauf
diese Hefte anstandslos als zulässig erklärt wurden.
Aber in Wien wurde der Kampf um die Greiner’schen Schreibhefte fort
gesetzt. — Die Statthalterei gab zwar unterm 18. November 1861 beschwich
tigende Erläuterungen zu dem Edicte vom 26. August, aber wies die Beschwerde
des Wiener Gemeinderathes ab. — Derselbe richtete nun eine ähnliche Vor
stellung an das damalige Staatsministerium (9. Aug. 1862), wurde aber auch
von dieser Behörde mit umständlicher Motivirung zurückgewiesen. (12. Oct. 1862.)
Eine verbesserte und neu ausgestattete Auflage der Greiner’schen Hefte
wurde am 3. Juni 1866 Gegenstand einer eingehenden Verhandlung im Unter-
richtsrathe. —
Auf Grund der Vorschläge des Unterrichtsrathes beschloss das Staats
ministerium (2. Febr. 1866), von den Grundsätzen, welche mit dem Min Erl.
vom 16. Nov. 1861 festgestellt wurden, gänzlich abzugehen und bis auf weiteres
Methode und Wahl der Lehrmittel den Lehrern unter Aufsicht der Schulleiter
zu überlassen. Davon wurden die Diöcesan - Schulaufsichten verständigt und
zugleich aufgefordert, auf die Förderung guter Schulschriften und Verwendung
geeigneter Lehrmittel insbesondere durch die Lehrerbildungs - Anstalten und
Lehrer-Conferenzen hinzuwirken.
Mit dieser Entscheidung hat der langjährige Kampf, ob Greiner’s oder
ein anderes Schreibheft, ob diese oder jene Methode beim Schreibunterrichte
zui Anwendung kommen darf oder muss, ein Ende genommen.
Bemerkenswerth bleibt es, dass nun Greiner’s Schreibhefte häufiger in den
Volksschulen angewendet wurden, als dies früher der Fall war.
In dem Gesetze vom 14. Mai 1869 (R. G. Bl. 1869, Z. 62), durch welches
die Grundsätze des Unterrichtswesens bezüglich der Volksschulen
festgestellt wurden, ist unter den Lehrgegenständen für die allgemeinen Volks
schulen und Bürgerschulen, wie auch für Lehrerbildungs-Anstalten das Schrei
ben als selbständiger Gegenstand aufgeführt. In der Verordnung des Mini
sters für Cultus und Unterricht v. 12. Juli 1869 Z. 6299, womit die Ueber-
gangsbestimmungen zur Durchführung des Volksschul-Gesetzes erlassen wurden,
wird nicht nur ausgesprochen, dass das Ziel des Schreibunterrichtes in
der Volksschule eine deutliche, reine, gefällige und geläufige Hand
schrift sein soll, sondern auch festgesetzt, dass dieser Unterricht mit dem
Sprachunterrichte in innige Verbindung gebracht werden müsse.
Ferner ist in dieser Verordnung bestimmt, dass die Vorlagen auch dazu
benützt werden sollen, um durch gute Muster einige Sicherheit in Anfertigung
geschäftlicher Aufsätze zu erzielen.
In den speciellen Lehrplänen für Volksschulen ist die Vertheilung der
wöchentlichen Sprach- und Schreibstunden folgende:
1. Gesetzliche Bestimmungen.
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Für ungetheilte einelassige Volksschulen: Sprach- und Schreihunter
richt 16 Stunden.
Für getheilte einelassige Schulen: in der Unter- sowie in der Ober
abtheilung je 8 Stunden für den Sprach- und Schreihunterricht.
Für eine zweiclassige Schule: in der I. Classe 16, in der II. Classe
11 Stunden für den mit dem Schreiben verbundenen Sprach-Unterricht.
Für die dreiclassige Schule 16, 9 bis 11, 9 Stunden für die auf
einanderfolgenden Classen.
Für die vierclassige Volksschule 12—14, 8—10, 8, 8, je nach den
aufsteigenden Classen.
Aus dem Lehrplane der Lehrerbildungs-Anstalten (Verordnung des
Ministers für Cultus und Unterricht vom 19. Juli 1870 Z. 7033) ist zu ent
nehmen, dass hier das Ziel die Befähigung ist, den Gegenstand in der Volks
schule zu betreiben, eine deutliche, gefällige Handschrift zu schreiben, und
Fertigkeit im Schreiben mit der Kreide. In der I. Classe ist in 2 Stunden die
Current-, Latein- und Eondschrift zu lehren; in der II. Classe, 1 Stunde, sind
diese Formen zu üben, die Fracturschrift verbunden mit dem Schreiben an der
Wandtafel zu vervollständigen.
In der Verordnung des Ministers für Cultus und Unterricht v. 20. August
1870 Z. 7648, womit eine Schul- und Unterrichts-Ordnung für die all
gemeinen Volksschulen erlassen wurde, ist als Lehrziel (§.51) des Schreib-
Unterrichtes bezeichnet: Die Schreibübungen beschränken sich auf den un
teren Stufen, nach Aneignung einer gewissen Schreibfertigkeit, auf methodisch
geleitetes Abschreiben von Wörtern und Sätzen. Die Schreibübungen haben
auch den Zweck, die in den Sprachübungen zur Anwendung kommenden
Spraehformen zum sicheren Eigenthum des Schülers zu machen. Bei allen
schriftlichen Uebungen ist auf die Rechtschreibung und Interpunction besondere
Sorgfalt zu wenden.
Ferner ist in den §. 54 desselben Gesetzes als das Ziel des Schreib
unterrichtes angegeben: Fertigkeit im deutlichen, geläufigen und möglieht ge
fälligen Schreiben der Schrift der Unterrichtssprache, beziehungsweise der
zweiten Landessprache, bei deutschen Schulen auch der lateinischen Schrift.
Die Schüler sind von vorhinein anzuhalten, alles, was sie schreiben, nicht nur
schön, sondern auch orthographisch richtig und genau zu schreiben,
Dieser Unterricht ist vom Anfang an mit den übrigen Unterrichts-Gegen
ständen in innige Verbindung zu bringen.
Im Erlass des Ministers für Cultus und Unterricht vom 20. August 1870
Z. 7078, betreffend die Lehrpläne der dreiclassigen Bürger-Schulen für Kna
ben und Mädchen, ist als Ziel im Scheiben angegeben: Aneignung einer leser
lichen, geläufigen und gefälligen Handschrift und der im gewöhnlichen Leben
vorkommenden Schriftarten. Jede Classe wöchentlich 1 Stunde,
Wie aus den vorstehenden Darstellungen zu entnehmen ist, so hat das