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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1875 / 116)

 
eine Reike von Porträts nennt, die er im Auftrage KarPs V. und später für die Statt- 
halterin Margarethe von Oesterreich malte, weiss man doc-h von keinem dieser Bilder, wo 
sie hingekommen sind. 
Unter solchen Verhaltnissen muss es von doppeltem Werthe sein, jene Reihe von 
Cartonen zu besitzen, die er im Auftrage des Kaisers schuf. Aber auch diese haben noch 
bis heute das Schicksal seiner anderen Arbeiten insoferne zu theilen, als sie ebenso wie 
diese lange Zeit in Verborgenheitwaren, ja noch immer ausser Wien kaum gekannt sind. 
Dass dem wirklich so ist, dafür gibt theilweisen Beleg eine im vorigen Jahre in Lille 
erschienene Broschüre von J. Houdoy. welche von den Tapeten spricht, die Karl V. nach 
den Zeichnungen des Vermeyen vom Sticker Pannemaker aus Brüssel machen liess. 
Houdoy hat in den Archiven Lille's sehr interessante Documente aufgefunden, welche 
auf diese Bestellung Bezug nehmen. 
Am Ende der sehr werthvollen Mittheilungen über diese Angelegenheit spricht 
Houdoy die Hoffnung aus, dass es einst doch vielleicht gelingen werde, mit Hilfe eines 
Monogrammes des Vermeyen, welches eine seiner Quittungen trägt, von seinen zahlreichen 
an die verschiedenen europäischen Hofe versendeten officiellen Porträts einige aufzuünden. 
Houdoy nimmt an, dass sie anderen Künstlern seiner Zeit, etwa Maubeuge, Porbus oder 
Van Orlcy, fälschlich zugeschrieben wurden. XVeiter beklagt Houdoy den wahrschein- 
lichen Verlust der Cartone Vermeyens und der Tapeten des Pannemaker, tröstet sich 
aber mit der Möglichkeit, eines Tages doch noch, zum grossen Vortheile für die Kunst! 
geschichte, beider Arbeiten zum Vorschein kommen zu sehen. 
Dem geschätzten Forscher war es also fremd geblieben, dass sich beides, die Car- 
tone und ein zweites Exemplar der Tapeten, in Wien befinden. Die Cartone sind 12' 
hoch und ungleich bis zu 25' lang und werden zwei grosse Oberlichtsäle füllen. 
Eine weitere Vermehrung wird die Galerie erfahren durch zwölf Schlachtenbilder, 
welche die Feldzüge Erzherzog Leopold Wilhelms und des Feldmarschalls Octavius 
v. Piccolomini vorstellen und von Snyers gemalt sind. 
Es würde zu lange Zeit in Anspruch nehmen, wollte ich alle jene Bilder bespre- 
chen, welche der Einreihung in die Galerie harren. Neben eilf interessanten Ansichten 
Wiens von Bellotto Canale finden sich noch Porträts aus den Schulen von Tintoretto, 
Paris Bordone, Velasquez und Porbus. Eine reiche Sammlung von Porträts aus der kai- 
serlichen Familie eignet sich zur Bildung einer Ahnengalerie des Kaiserhauses. Einige 
darunter sind als Kunstwerke und Repräsentanten des Autors zu betrachten und werden 
der Galerie einbezogen. Dazu gehört auch jenes Bild Kaiser Karls V., von dem l-lofmaler 
Ferdinands 1., Jacob Seisenegger, gemalt, welches, erst seit Kurzem als solches erkannt, 
in mancherlei Hinsicht sehr interessant genannt werden muss. 
Die Geschichte Seiseneggers und seiner Werke hat mit jener Vermeyens eine ge- 
wisse Aehnlichkeit. Beide Künstler sind von den Grossen ihrer Zeit hnchgehalten und 
vielseitig beschäftigt worden. Ihre Werke haben sich aber lange Zeit verborgen gehalten 
und sind jetzt nur noch zum Theil bekannt. 
Es muss bcfremden, dass die Arbeiten von Künstlern, welche am Hofe Karls V. 
angesehen waren, so vollständig verschwinden konnten. 
Wenn man aber die grosse Zahl der Bildnisse bekannter und unbekannter Personen 
jener Zeit übersieht, die in Galerien und Schlössern in der ganzen Welt zerstreut vor- 
kommen und als "Maler unbekannt: bezeichnet sind, so muss man annehmen, dass noch 
mancher gute Bildnissmaler in der Nahe des Kaisers weilte und arbeitete, dessen Name 
später verloren gegangen ist. Es ist zwar in den letzten Decennien für die Erforschung 
von Künstlernamen und Künstlerbiograpbien viel geschehen, aber die Zahl solcher Bilder, 
die bisher namenlos bleiben mussten, ist dessenungeachtet immer noch eine überaus grosse. 
Es soll hier nicht nur von den Bildnissmalern die Rede sein. Die frommen Maler 
der alten deutschen und niederländischen Kirchenbilder haben uns einen reichen Schatz 
an herrlichen Werken hinterlassen, ihre Namen aber sind zum grossen Theileyerborgen 
geblieben. Seltener kommt der umgekehrte Fall vor, dass die Nachweise über das Leben 
und die Arbeiten eines nicht unbedeutenden Malers vorhanden sind, während diese Ar- 
beiten selbst fehlen. Das aber kommt vor bei Jan Vermeyen und bei Jacob Seisenegger. 
Wenn bei Vermeyen der Fall eingetreten war. dass seine Werke in Verlust geriethen, 
so ging ein tuckisches Geschick bei Seisenegger noch weiter und liess neben seinen Arbeiten 
auch noch seinen Namen verschwinden. Wann er vordem das letzte Mal genannt wurde, 
wird kaum ausßndig gemacht werden können. lm Jahre 1747 tauchte er aber wieder zum 
ersten Male vorübergehend auf. Dann wird er wieder vergessen, bis Bergmann im Jahre 
1848 und Ernst Birk im Jahre 1864 Documente auflanden, welche uns mit den Lebens- 
verhältnissen des Künstlers näher bekannt machen. Der Fall war merkwürdig genug. 
In der Blüthezeit der Malerei lebt ein Maler am Hofe eines kunstsinnigen Regenten. Er 
wird von Karl V., welcher die gefeiertsten Künstler nllcr Länder um sich versammelt, 
wiederholt an seinen Hof berufen, mit Aufträgen betraut, nach Spanien zu seiner Familie 
gesendet, endlich in seine bleibenden Dienste verlangt. Die Kunstgeschichte wusste aber
	        
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