' Auch dem Bau des Wiener Museums sind solche Untersuchungen und Proben zur
Sicherstellung des Bedürfnisses vorangegangen und wir hoffen mit Zuversicht, dass dies-
mal das Richtige getroffen wurde.
Man hat in jener Zeit der Untersuchungen über die beste Art der Beleuchtung
einer Galerie sagen gehört, ein Bild sei dann am besten beleuchtet, wenn es dasselbe
Licht empfangt, welches es wahrend seines Entstehens im Atelier des Malers gehabt hat.
Dieser Ausspruch enthält eine unbestrittene Wahrheit. Aber er fordert zu der Frage auf:
Wie macht man das bei iooo oder zooo Bildern? Hier ist ein ziemlich grosses Bild, das
ist in einer Dachkammer gemalt worden. Hier ein zweites, das entstand für ei_nen Altar,
bei hohen Kirchenfenstern. Da ist ein Maler, der sperrte sein Licht ab bis auf wenige
Quadratschuh, dort ein zweiter, der malte unter freiem Himmel. Dieser stellte sein
Bild senkrecht zur Fenstcrwand und liess das Licht in sehr spitzem Winkel darauf fallen,
jener zog es vor, das Bild dem Fenster beinahe gegenüber zu stellen. Wem sind sie
nicht bekannt, die hunderterlei verschiedenen Vorrichtungen, welche Naturalisten in ihren
Ateliers anbringen, nicht ihrer Tafel zuliebe, auf der sie malen, sondern aus Rücksicht
für eine beabsichtigte besondere Wirkung des Lichtes auf das Modell? Soll das alles bei
der Aufstellung im Museum beobachtet werden? Kein Architekt wäre im Stande, dem zu
entsprechen.
Das Seitenlicht ist ruhiger als das Oberlicht. Es hat einen vornehmeren Charakter,
vorausgesetzt, dass es an der Nordseite liegt. Eine kleine Anzahl Bilder wird gewiss mit
Räumen mit Seitenlicht ausreichen. 2000 Bilder aber von den verschiedensten Grossen
würden eine Nordfront von der Lange eines Boulevards erfordern, um in solchem Seiten-
licht entsprechenden Raum zu finden. Deshalb hat man sich ziemlich allgemein darüber
geeinigt, dass die Verbindung von Seiten- mit Oberlicht das Entsprechendste sei dort,
wo es sich darum handelt, eine reiche Sammlung von Bildern mit möglichster Berück-
sichtigung aller Bedingungen des Bedürfnisses wie der Architektur aufzustellen.
Der Raum für die Aufstellung ist in reichlichem Masse vorhanden. Man kann
einen Begriff davon bekommen, wenn man sich vergegenwartigt, dass sammtliche Bilder,
welche jetzt die drei Stockwerke des Belvedere füllen, wollte man sie in derselben Weise
aufstellen, wie sie jetzt aufgestellt sind, in die Seitenräume des neuen Hauses unter-
gebracht werden könnten. Dann würden 14 grosse Oberlichtsale, wovon jeder 60-70
Quadratklafter Bodenraum hat, als Ueberschuss zu betrachten sein.
Selbstverständlich wird aber eine so gedrangte Aufstellung jetzt nicht platzgreifen.
Man muss aber die Beruhigung gewinnen, dass der Raum für diese Sammlung mitsammt
ihren zu erwartenden Vermehrungen auf Jahrhunderte hinaus ausreichen werde.
Die Disposition der Raume ist vortrefflich und stellt einer systematisch geordneten
Aufstellung nirgends ein Hinderniss entgegen.
Es erübrigt noch, über das System der Aufstellung zu sprechen.
Es kann kein Zweifel darüber obwalten, dass die historische und chronologische
Reihenfolge die Grundlage zu bilden haben wird. Aber es darf nicht übersehen werden,
dass mit der Beachtung dieser Factoren allein noch lange nicht Alles gethan wäre, dass
vielmehr noch manche andere Rücksicht zu nehmen sein wird. Es wird besondere Be-
achtung erheischen: _
l. Die Eintheilung in die Hauptschulen;
2. die historische und chronologische Reihenfolge;
3. die Zusammengehörigkeit der Werke eines Meisters;
4. die Zusammengehörigkeit der Werke gleicher Kunstform und gleicher Gegen-
stände der Darstellung;
5. die Grosse des Werkes;
6. die Art der geforderten Beleuchtung;
7. die Harmonie der Färbung bei der Zusammenstellung einer Wand;
8. die Architektonik und die symmetrische Conliguration jeder einzelnen Wand.
Ueber die Eintheilung nach Schulen wäre Folgendes zu sagen:
Die Galerie zerlegt sich in drei Hauptschulen:
die deutsche,
die niederländische,
die italienische.
Es muss dafür gesorgt werden, dass jede dieser Hauptschulen ihren eigenen Haupt-
eingang vom Stiegenraum aus habe; die Berührung mit einer Nachbarschule aber kann
an beiden Endsalen stattfinden. Die Aufeinanderfolge der Unterabtheilungen dieser Schulen
muss leicht und ungezwungen geschehen und die Einschaltung derjenigen Zeiten und
Schulen, aus welchen die Galerie nur wenige Stücke besitzt, z. B. der spanischen, muss
an der richtigen Stelle und mit möglichster Berücksichtigung des ungestörten Fortlaufens
des Hauptzuges ermöglicht werden. Die modernen Bilder schliessen sich an die Schulen,
denen sie angehören, an, sie bestehen aber grösstentheils aus Werken deutscher Schule.