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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1876 / 124)

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Möchte die Firma den eingeschlagenen Weg, der ihr einen Weltruf ein- 
gebracht hat, nicht verlassen und uns dadurch den Verlust, den die öster- 
reichische Kunstindustrie durch die Krankheit des Herrn Eduard v. Haas 
erleidet, minder schwer empfinden lassen. 
Auch Karl Giani ist diesmal mit Prachtarbeiten erschienen und zwar 
im Dienste der Kirche. Es ist ein ganzer reicher Festornat für die Schotten- 
kirche, welchen der kunstsinnige Prälat Abt Helferstorfer unter Vermittlung 
seines Sacristeidirectors Kern harmachen lassen: Antipendium, Pluviale, 
Dalmatica u; s. w. Wäre es nicht wegen der Zeichnung der Figuren, 
die allerdings mangelhaft ist, so möchte man an diesen Arbeiten volles 
Vergnügen finden. Sie sind gut im Styl, die Ornarnentation in Pflanzen 
und Blumenwindungen, die Gesichter, die ganz in Stickerei ausgeführt 
sind, zum Theil vortrefflich gelungen, der Gesammteifect sehr gut. Unter 
allen Umständen war es ein Iöbliches Beginnen, der Kunst der Stickerei 
eine so grossartige Aufgabe zu stellen. 
Die Stickerei unserer Tage entzieht sich eigentlich der ästhetischen 
Kritik. Ganz in dilettantische Hände gerathen, war sie nur noch Hand- 
beschäftigung, aber nicht mehr Gegenstand oder Frage der Kunst. Amor 
mochte zuweilen bei diesen'Arbeiten mit im Spiele sein, aber die Grazien 
hatten sie verlassen. Der Geschmack gehörte zu den Eigenschaften, die 
durch ihre Abwesenheit glänzten. 
Das grosse Interesse, welches neuerdings für die Kunst in der In- 
dustrie erweckt worden ist, konnte nicht verfehlen, auch auf die Stickerei 
Einfluss zu üben. Bis dahin aber war es nur diejenige Stickerei, soweit 
sie Industrie, die nämlich in den Fabriken, welche den Einfluss spürte, 
und auch nur fast einzig für den Dienst der Kirche oder allenfalls für 
die Ausstattung des vornehmen Hauses. Was die Fabriken an Mustern 
und Modellen für das Haus, für die Beschäftigung der weiblichen Hand 
bieten, ist fast ausnahmslos bis heute so grundschlecht geblieben, wie 
65 war. 
Und doch fängt auch die Dilettantenstickerei, d. h. die Stickerei im 
Hause, langsam, ganz langsam an, sich in Bewegung zu setzen. Der Zweifel 
an dem eigenen Werthe ihrer Arbeit ist in sie gefahren; X sie sieht sich 
nach neuer Art um, und wenn auch der Zufall sein Spiel hat, so kann 
sie doch nicht etwas Schlechteres ergreifen als das, was sie besass und übte. 
Diesem Umstande ist es wohl zuzuschreiben, dass die weibliche Acu- 
pictura sich heute vorzugsweise auf die Spitzen wirft und mit einer ge- 
wissen Vorliebe ältere Spitzenarten imitiren zu wollen scheint. Bisher war 
das Beste, was sie leistete, die Weissstickerei; wo Farbe mit in Frage 
kam, versagte der Geschmack regelmässig. Die Weissstickereien zeigten 
nicht selten wenigstens bewunderungswürdige Ausführung, wenn auch die 
Zeichnung meistens nicht auf gleicher Höhe stand. Im Gefühl dieser Schwäche 
war der Uebergang zur Spitzenarbeit, vermittelt ohnedies durch die nFri- 
volitäfenn und ihresgleichen, nicht schwierig, falls die Technik zu Gebote
	        
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