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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1876 / 128)

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tat nun nicht mehr als italienisch oder flamländisch, sondern französisch 
einzig und allein gelten kann. Auf diese Weise ging man z. B. von dem 
Venezianischen Point de rose aus und kam zu einer gewissen Art des 
Point de France, welche ebenfalls durch Reliefansätze sich auszeichnet. 
Der Point de rnse, so genannt von seinen blumenartigen, dicken Aufsätzen, 
welche erhaben auf dem Rankenwerk der Spitzenfläche angebracht sind, 
von denen er aber, wenn sie sehr klein und mit staubfädenartigen Bekrö- 
nungen versehen sind, den Namen roselina führt, gehört ursprünglich 
Norditalien, vornehmlich Venedig, auch Genua an, wurde aber im 16. 
und 17. Jahrhundert auch in anderen Ländern nachgeahmt. So nennt man 
ihn z. B. fälschlich Paint d'Espagne, weil auch dieses Land die Technik 
der Reliefspitze cultivirte, obwohl es einen eigentlichen Point d'Espagne 
gibt, dessen Typus und Herstellungsweise von jenem venezianischen Pa- 
radigma gänzlich abweicht. Die merkwürdigsten Punti d rilievo in der 
Ausstellung sendete Frau Friedrich Spitzer aus Paris ein; sie sind von 
dunkelgrau-brauner orientalischer Seide höchst delicat ausgeführt, haben 
sicher aber ihre Entstehung in Oberitalien gefunden. Ein Wunder mikro- 
skopischer Feinheit sind Roselinen der Frau Fürstin Ahrenberg-Liechten- 
stein, von jener Gattung, welche man auch Elfenbeinspitze zu betiteln 
pßegt, weil ihre höchst subtilen Zweige und Fäden in den Blumenkelchen 
an gewisse Schnitzereien in dem genannten Material erinnern, wie sie die 
Kleinkunst der Drechslerei im 17. Jahrhundert hervorzubringen verstand. 
Kräftiger und schwungvolle-r in den Zeichnungen stellten sich endlich die 
im Relief gebildeten Punti d fogliami der Frau Gräfin Bechevet dar, ein 
Altarbehang von seltener Länge und tadelloser Erhaltung. 
Die Erzeugnisse von Brabant, besonders die gestaltungsreiche Brüsseler 
Spitze, findet sich im Besitze älterer österreichischer Familien quantitativ 
wie qualitativ besonders vertreten, wohl aus dem Grunde, weil die Nieder- 
lande so lange Zeit dem Habsburgischen Scepter unterstanden. Das Aus- 
gezeichnetste in diesem Genre hat Frau Fürstin Schvvaraenberg ausgestellt, 
Brüsseler Spitzen von Klafterdimension mit der reizendsten Ornamentirung 
der Barockzeit; übrigens zählen die Proben von Brabauter Dentelles auf 
der Ausstellung nach l-lunderten. 
Auch ein interessantes historisches Obiect ist unserer Exposition ein- 
verleibt, Theile eines Taufzeuges nämlich, welches bei der Ertheilung 
dieses Sacramentes an Karl l. von England gebraucht wurde. Es bwteht 
aus venezianischen Reliefspitzen, die in England sehr gesucht waren und 
später daselbst auch inländische lmitirung erfuhren. 
lch muss es mit diesen Andeutungen des Wichtigsten, das die Spitzen- 
ausstellung bietet, genügen lassen. Viel aber wäre noch vom eigentlich 
fachlichen Standpunkte zu sagen, indem du Forschung auf diesem Felde 
hier eine bedeutende Reihe von Aufschlüssen aufgethan wurde, eine an- 
sehnliche Zahl von Fragen, welche auf die sehr dunkle Geschichte der 
Spitzenfabrication Bezug nehmen, wenigstens theilweise Erledigung finden
	        
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