und die wichtigsten Vorkenntnisse, welche ein Besuch der Ausstellung
erheischt, einigermassen zu verbreiten, wurden schon im Februar Vorlesungen
durch den Verfasser dieses gehalten, welche die Geschichte und die zahl-
reichen schwankenden Benennungen der Spitzen feststellten und in popuv
lärer Weise deutlich zu machen suchten ').
Der kurze Bericht, welchen diese Zeilen über die in mehr als Einer
Beziehung so lehrreiche Ausstellung liefern sollen, müsste unvermeidlich
eine Uebersicht der Geschichte des gesammten Faches werden, wollte ich
die in der grossen Menge vertretenen einzelnen Erscheinungen nach der
Provenienz, der Zeit ihres Ursprungs und nach der Technik anführen. So be-
scheide ich mich, das Bedeutendste namhaft zu machen, wodurch diese
Exposition ein besonders interessantes Relief erhielt.
Klein und bescheiden zeigen sich auch die Anfänge der Spitzenarbeit.
Das Alterthum hat sie nicht gekannt, der Orient scheint sie vom Westen
erhalten und nicht reichhaltig fortgebildet zu haben, das abendländische
Mittelalter aber hat erst die embryonischen Keime aufzuweisen. Hier sind
es die geistlichen Orden, die Nonnenklöster, welche iene rohen und im
Stil der schlichten Anfänge der Nadelarbeit gehaltenen Leistungen, die als
Vorläufer der Spitzen zu betrachten sind, cultiviren. Aus ihnen erhellt
wieder zweifellos, wie das einfache Fischernetz mit seinen Maschen das
primitive Vorbild der Spitzen gewesen, indem zunächst dasjenige, was
wir lavoro a maglia oder jilet nennen, daraus hervorgegangen ist. Ar-
beiten solcher Art, dem Dienste des Altars gewidmet, später aber dem
Hause nicht weniger eigen zu Schmuck und Zier, zeigt die Ausstellung
an Fragmenten, die schon dem 14. Jahrhundert angehören, dann aber,
um ein reizendes Prachtstück zu nennen, in dem Augsburger Tauftüchlein
von 1647, dessen zarte Deutschrenaissance-Ornamente in rother Seide auf
Gitterwerk mit Wappenstickerei und Inschriften allerdings nicht eigentlich
noch zu dem gehört, was wir unter Spitzen verstehen. Eine phantastische
Allegorienwelt nimmt nicht selten Platz in den quadratischen Feldern der
Tischspreiten und Bettdecken , und versammelt Phönix und Salamander,
Drachen und Greife in bunter Gesellschaft als figurale Zier der nett aus-
geführten Nadelarbeit.
Treten wir aus diesem Vorhof der edlen Spitzenkunst aber in ihr
Heiligthum selbst ein, so stellt sich zunächst überall das Zinnenmuster,
die Zackenbesetzung an den Säumen, von den Italienern merli genannt,
als Charakteristicon im formellen Sinne entgegen. Venedig und Genua
excelliren darin besonders, aber diejenige Spitze der Niederlande, welche
dort vornehmlich für den Modebedarf in Spanien gemacht wurde, - eine
dicke, schwere Fadenverknüpfuug, zeigt ebenfalls den Schmuck der geo-
metrisch dessinirten Zinnigen, welche am Anfang der Renaissanceperiode
") Seitdem in Druck erschienen unter dem Titel: Geschichte und Terminologie
der alten Spitzen. Wien, Lehmnnn und Wentzel. 8'. '