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Ad lll. Prinzipien der erlaubten und unerlaubten Nachbildung.
Was die Principien einer erlaubten und unerlaubten Nachbildung betrifft, so spricht
das österreichische Gesetz nur von den Fallen der Ungiltigkeit der Registrirung und Ver-
lust des Mustern-echtes, sowie von dem Erlöschen des ausschliesslichen Gebrauches eines
Musters; diese im österreichischen Gesetze angeführten Falle der Ungiltigkeit der Regi-
strirung sind theils selbstverständlich, theils sind dieselben in den diesbezüglichen Prin-
cipien des betretfenden deutschen Gesetzes enthalten, bis auf die h-üher schon erwähnte
und zwar unberechtigte Bestimmung des Gsterreichischen Gesetzes, dass das Schutzrecht
durch Nichtbenützung des Modelles während Eines Jahres verloren geht, hingegen halt
das deutsche Gesetz den Unterschied zwischen ln- und Ausländer insoferne fest, als Letz-
terer nachweisen muss, dass er eine gewerbliche Niederlassung im lnlande besitzt; die
früher erwähnte Bedingung des gesetzlichen Schutzes, dass die nach dem geschützten
Muster oder Modelle hergestellten Erzeugnisse im Inlande angefertigt werden müssen, gilt
für beide, daher auch die bezüglich der Strafbarkeit und Ersatzpßichtigkeit aus der Qua-
lification der Staatsbürgerschaft resultirenden Corollarien des deutschen Gesetzes auch nach
österreichischem Gesetze eintreten würden. Demnach ist
a) der lnlander strafbar und ersatzptlichtig, wenn er eine Nachbildung im ln- oder
Auslande unbefugt veranstaltet, gleichviel, ob die Erzeugung im ln- oder Aus-
lande geschieht;
b) der Ausländer strafbar oder ersatz ßichtig, wenn er unbefugt eine Nachbildung
im lnlande veranstaltet oder dasel st verbreitet; wenn er aber
c) im Auslande die unbefugte Nachbildung vornimmt oder verbreitet, ist er eben
nach inländischen Gesetzen nicht strafbar.
lm Uebrigen spricht das österreichische Gesetz nur im Allgemeinen von Eingriffen
in das Musterrecht durch unbefugte Uebertragung oder Nachbildung oder durch Verschleiss
der hienach verfertigten Waaren, und ergänzt diese allgemein gehaltenen Bestimmungen
durch die einzige Detail-Bestimmung, dass eine Nachbildung deshalb nicht aufhöre, eine
verbotene zu sein, weil die Dimensionen und Farben des Musters geändert wurden.
Das deutsche Gesetz hingegen hat keine diesbezüglichen, das freie Ermessen des
Richters beengenden Definitionen gegeben, doch hat es den Urheber als Trager der gei-
stigen Productivität bezeichnet, aus welcher das Muster oder Modell als neues eigentbürn-
liches Erzeugniss hervorgegangen ist, das als solches gegen unbefugte Nachbildung ge-
schützt werden soll.
Obgleich nun das deutsche Gesetz keine eigentlichen Definitionen von Neuheit und
Eigenthümlichkeit einerseits und von Nachbildung anderseits gibt, sind doch die beiden
ersteren Begrilfe, nämlich Neuheit und Eigenthümlichkeit als Attribute eines schutzberech-
tigten Musters wenigstens negativ dahin aufzufassen, dass das Muster in der Gesarnmtheit
seiner charakteristischen Formen früher noch nicht dagewesen; unter Nachbildung wäre
jede im YVesentlichen identische Wiedergabe des Originalmusters oder Modelles zu ver-
stehen. (Commentar Dr. Dambach.) Diese Auffassung ergibt sich eben aus den, das Ur-
heberrecht und das Wesen der Nachbildung charakterisirenden Bestimmungen des deutschen
Gesetzes. Ausserdem aber hat das deutsche Gesetz positive Principien aufgestellt, welche
den Richter bei Beurtheilung von erlaubten und unerlaubten Nachbildungen in die Lage
setzen, nach bestimmt gegebenen Anhaltspunkten bei der übergrossen Mannigfaltigkeit der
Fülle womöglich principiell gleicbmässige Entscheidungen herbeizuführen. Als obersten
ausnahmslosen Gnmdsatz stellt nämlich das deutsche Gesetz bei Beurtheilung einer ver-
botenen Nachbildung auf, dass dieselbe in der Absicht der Verbreitung und bei ge-
wissen Fällen in der Absicht der gewerbemassigen Verbreitung und selbstverständlich
ohne Genehmigung des Berechtigten hergestellt werden sei. Ausserdem bestimmt es
principiell die Fälle, in denen eine Nachbildung, die Absicht der Verbreitung vorausge-
setzt, eine unbedingt verbotene, oder anderseits wieder eine erlaubte sei.
Demgemäss verfügt das deutsche Gesetz, dass die freie Benutzung einzelner Motive
eines Musters oder Modelles als Nachbildung nicht anzusehen sei.
Stellt man nun diese im deutschen Gesetze so durchgebildeten Principien über
einen so schwierigen und an mannigfachen Fallen so reichen und daher so heiklen Ge-
gegenstand wie den der Beurtheilung einer berechtigten oder unberechtigten Nachbildung
den diesbezüglich höchst all emein gehaltenen Bestimmungen des österreichischen Gesetzes
gegenüber, und bringt man erner die zu Recht bestehenden Verordnungen der respectiven
Gesetze über die behördlichen Organe, welche über diese schwierigen Fragen zu ent-
scheiden haben, damit in Beziehung, so wird man einerseits einem wohlgeordneten System
von Principien begegnen, nach welchen der Richter seine begründeten Entscheidungen zu
tretfen hat, während im anderen Falle nach osterreichischem Gesetze die Beurtheilung
dieser schwierigen Fragen nach einem an Princlpien so mageren und an positiven Anhalts-
punkten arrnen Gesetze in der Hand der untersten Verwaltungsorgane ruht, die nach dem
Standpunkte der Gewerbsübertretungen ihr Verdict abzugeben haben. l