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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 172)

ein nationales Kunstgefühl anzuregen, müssten eigene Museen und Schulen 
für gewerbliche Kunst gegründet werden; er war es, welcher damals die 
Pläne entwarf, nach welchen die beiden grossen Institute in South Ken- 
sington und in Sydenham eingerichtet worden sind; er hat jenes un- 
sterbliche Werk über den Stil in den technischen und tektonischen Künsten 
verfasst, jene praktische Aesthetik, deren Leserkreis bisher wohl nicht so 
gross ist, wie sie ihn zu haben verdiente, deren Lehren aber von hundert 
anderen Schriftstellern in allen Cultursprachen verbreitet und vielfach 
bereits Gemeingut gewordensind. Auch wir glauben uns also vollberechtigt, 
ihn den Unsrigen zu nennen und in höherem Masse verpllichtet, ihn zu 
feiern. Den Ruhm des Architekten verkünden seine Werke selbst. Die 
grosse schöpferische That aber, auf welche wir soeben hingedeutet haben, 
vor dem Vergessen- oder Verkleinertwerden zu wahren, das ist Ehren- 
pflicht derjenigen, welche die von ihm eröffnete Bahn beschreiten. Be- 
rufeneren anheimgebend, seine anderen Verdienste zu würdigen, werden 
wir nur versuchen, diesen einen Theil seines Wirkens zu charakterisiren, 
und zwar so weit es thunlich, mit seinen eigenen Worten. 
Vorher aber möge gestattet sein, in Kürze den Lebensgang Sernpers 
bis zu seinem achtundvierzigsten Jahre zu skizziren. 
Am 29. November 1873 begingen wir seinen siebzigsten Geburtstag, 
es muss mithin von den widersprechenden Daten über sein Geburtsjahr 1805 
als richtig angenommen werden. Altona ist sein Geburtsort. Er war für 
den juristischen Beruf bestimmt, erwarb sich auf dem Gymnasium und der 
Universität jene gründliche classische Bildung, von welcher seine Schriften 
so vielfach Zeugniss geben, und studirte ausserdem exacte Wissenschaften, 
da sein Wunsch war, sich der Militärbaukunst widmen zu können. Erst 
mit zweiundzwanzig Jahren wandte er sich dem Studium der Architektur 
zu. Es folgte fast ein Jahrzehnt des Wanderlebens, als dessen Haupt- 
stationen München, Regensburg, Paris, Italien, Griechenland genannt werden 
können. Die Studienreisen waren damals noch etwas weniger bequem zu 
machen als heutzutage. Semper sprach gern davon, wie er, zu Fuss 
mit dem Ränzel auf dem Rücken, Italien durchstreift habe, und in einer 
seiner Streitschriften über die Polychromie der Alten wird erwähnt, wie 
er vals obscurer Arbeiter im Linnenkittelu wochenlang auf dem Theseus- 
tempel herumgeklettert sei und mit dem Federmesser herumgekratzt habe. 
Die Frucht dieser Untersuchungen sollte die Welt zuerst kennen lernen, 
die berühmte Schrift nBernerkungen über bemalte Architektur und Plastik 
bei den Altem. (1834,), welche bei den herrschenden Vorstellungen auf den 
heftigsten Widerspruch stiess. Während Schinkel die Arbeit in einem 
Briefe, welcher am Schluss des ersten Bandes vom "Stile abgedruckt ist, 
mit Wärme begrüsste, wollten Kugler und Andere die Behauptung, dass 
die Alten den Marmor gefärbt hätten, gar nicht oder doch nur mit 
grosser Einschränkung gelten lassen, und die Gewohnheit den Stein nur 
weiss, oder nur von einer natürlichen Patina überzogen zu sehen, und die
	        
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