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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XV (1880 / 172)

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auch das wurde in einer Zeit, in welcher noch so viel weniger als heut- 
zutage für die Bildung des Kunstgefühls geschah, von einem Jeden als 
glänzender Vorzug erkannt, dass dieses Gebäude schon in seinem Aeusseren 
so deutlich seine Bestimmung aussprach, um gar keinen Zweifel auf- 
kommen zu lassen. Schon vorher hatte Semper mit der Dresdener Syna- 
goge in durchaus origineller Weise an den maurischen Stil angeknüpft und 
durch den schönen Brunnen auf dem Wilsdrutfer Platze den Beweis ge- 
liefert, dass er sich auch gothisch auszudrücken wisse, so wenig ihm dieser 
Stil sympathisch war; in dem Galeriegebäude endlich gelang es ihm, dem 
Zwinger einen Abschluss zu geben, dessen Renaissanceformen die glück- 
lichste Vermittelung herstellten zwischen seinem eigenen und dem Haupt- 
werk seines Vorgängers Pöppelmann, zu dessen gerechter Würdigung ge- 
rade er so viel beigetragen hat. 
Bekanntlich sollte er den Galeriebau nicht selbst zu Ende führen. 
Es kam der Maiaufstand des Jahres 184.9, man baute Barricaden zur 
Vertheidigung der deutschen Reichsverfassung; und ob nun Sempers Herz 
bei der Sache der Aufständischen gewesen sei oder nicht: als er den Bau 
einer Barricade leitete, war er eben der Architekt, welchen auch diese 
modernen kyklopischen Mauern interessiren mussten, und um so mehr, 
als er ja, wie wir wissen, sich mit dem Befestigungswesen einst ange- 
legentlich beschäftigt hatte. Wenn nachher die Parteiwuth ihm die un- 
sinnigsten Pläne andichtete, wenn ihm aufgebracht wurde, er habe das 
Hoftheater, sein eigenes herrliches Werk, in die Luft sprengen wollen, 
so beweist das nur, welche Höhe die Erbitterung damals erreicht hatte. 
Indessen seines Bleibens war in Dresden, in Deutschland nicht mehr. Er 
rettete sich nach Paris. Wie er seinen dortigen Aufenthalt verwerthete, 
wie weit er davon entfernt war, gleich den meisten politischen Flüchtlingen 
aller Zeiten Conspirationen anzuzetteln oder in unthätigern Grollen auf 
die nächste Revolution zu warten - dafür zeugt fast jedes Blatt seiner 
Schriften. Es wird nicht Viele geben, welche die Schätze der Pariser 
Bibliotheken und Kunstsammlungen so gut kennen wie er. 
Zur Zeit der ersten Weltaustellung finden wir ihn in London. Nur 
Wenige von denen, welche jene Industrie-Ausstellung studirten und über 
dieselbe berichteten, waren genügend darauf vorbereitet. Man betrachtete 
die Gegenstände meist unter einem einzelnen Gesichtspunkte, unter dem 
technischen, dem nationalökonotnischen und statistischen, dem ethno- 
graphischen, culturhistorischen oder politischen und zog dem entsprechend 
seine Folgerungen. Auch Semper ging, wie er berichtet, mit der ldee 
um, die Ausstellung in einer Folge von Aufsätzen zu besprechen. Aber 
seiner ganzen Anlage nach und ausgerüstet mit einem fast beispiellosen 
Wissen musste er das, was so Vielen ein verwirrendes, sich in tausend 
Einzelheiten zersplitterndes Schauspiel war, von einem höheren Stand- 
punkte aus auffassen. Es war seine Absicht, weine vergleichende Ueber- 
schau des Inhaltes der Ausstellung zu geben, und zwar nach einem Plane.
	        
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