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auch das wurde in einer Zeit, in welcher noch so viel weniger als heut-
zutage für die Bildung des Kunstgefühls geschah, von einem Jeden als
glänzender Vorzug erkannt, dass dieses Gebäude schon in seinem Aeusseren
so deutlich seine Bestimmung aussprach, um gar keinen Zweifel auf-
kommen zu lassen. Schon vorher hatte Semper mit der Dresdener Syna-
goge in durchaus origineller Weise an den maurischen Stil angeknüpft und
durch den schönen Brunnen auf dem Wilsdrutfer Platze den Beweis ge-
liefert, dass er sich auch gothisch auszudrücken wisse, so wenig ihm dieser
Stil sympathisch war; in dem Galeriegebäude endlich gelang es ihm, dem
Zwinger einen Abschluss zu geben, dessen Renaissanceformen die glück-
lichste Vermittelung herstellten zwischen seinem eigenen und dem Haupt-
werk seines Vorgängers Pöppelmann, zu dessen gerechter Würdigung ge-
rade er so viel beigetragen hat.
Bekanntlich sollte er den Galeriebau nicht selbst zu Ende führen.
Es kam der Maiaufstand des Jahres 184.9, man baute Barricaden zur
Vertheidigung der deutschen Reichsverfassung; und ob nun Sempers Herz
bei der Sache der Aufständischen gewesen sei oder nicht: als er den Bau
einer Barricade leitete, war er eben der Architekt, welchen auch diese
modernen kyklopischen Mauern interessiren mussten, und um so mehr,
als er ja, wie wir wissen, sich mit dem Befestigungswesen einst ange-
legentlich beschäftigt hatte. Wenn nachher die Parteiwuth ihm die un-
sinnigsten Pläne andichtete, wenn ihm aufgebracht wurde, er habe das
Hoftheater, sein eigenes herrliches Werk, in die Luft sprengen wollen,
so beweist das nur, welche Höhe die Erbitterung damals erreicht hatte.
Indessen seines Bleibens war in Dresden, in Deutschland nicht mehr. Er
rettete sich nach Paris. Wie er seinen dortigen Aufenthalt verwerthete,
wie weit er davon entfernt war, gleich den meisten politischen Flüchtlingen
aller Zeiten Conspirationen anzuzetteln oder in unthätigern Grollen auf
die nächste Revolution zu warten - dafür zeugt fast jedes Blatt seiner
Schriften. Es wird nicht Viele geben, welche die Schätze der Pariser
Bibliotheken und Kunstsammlungen so gut kennen wie er.
Zur Zeit der ersten Weltaustellung finden wir ihn in London. Nur
Wenige von denen, welche jene Industrie-Ausstellung studirten und über
dieselbe berichteten, waren genügend darauf vorbereitet. Man betrachtete
die Gegenstände meist unter einem einzelnen Gesichtspunkte, unter dem
technischen, dem nationalökonotnischen und statistischen, dem ethno-
graphischen, culturhistorischen oder politischen und zog dem entsprechend
seine Folgerungen. Auch Semper ging, wie er berichtet, mit der ldee
um, die Ausstellung in einer Folge von Aufsätzen zu besprechen. Aber
seiner ganzen Anlage nach und ausgerüstet mit einem fast beispiellosen
Wissen musste er das, was so Vielen ein verwirrendes, sich in tausend
Einzelheiten zersplitterndes Schauspiel war, von einem höheren Stand-
punkte aus auffassen. Es war seine Absicht, weine vergleichende Ueber-
schau des Inhaltes der Ausstellung zu geben, und zwar nach einem Plane.