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Vollends die Mähr, welche zuerst der böhmische Astronom Petrus Co-
dicilus de Tulchow im Jahre r 576 und zuletzt Pater K. Winaf-icky zu Kowan
bei Jungbunzlau im Jahre 1845 auftischte, urn Gutenberg zu einem Böhmen
zu Stempeln, war selbst den eifrigsten Czechen zu lächerlich.
' Was aber nationale Verblendung zu leisten vermag, wie ihr das
Dümmste gerade als das wahrscheinlichste gilt, dazu noch eine uns heute
unfassbare Summe von Verlogenheit und Schlechtigkeit, das beweist die
holländische Erfindungsgeschichte, die wir jetzt kurz Coster-Schwindel
oder milder die Coster-Legende nennen dürfen.
,1 Der Urheber desselben ist der Doctor Medicinae, Dichter, Philosoph
und noch manches Andere: I-Iadrian Junius (de Jonghe) aus Hoorn, ge-
boren 151i, ein Studiengenosse und Busenfreund eines Martin Janszon
Cost er. In seiner l-Iistoria Bataviae erzählt Junius im Jahre 1568, vor
128 Jahren habe der I-Iaarlemer Lichtgießer und Wirth Laurenz Janszon
Coster bei einem gemüthlichen Verdauungsspaziergang nach dem Mittag-
mahl im Stadtwäldchen sich damit die Zeit vertrieben, dass er aus Birken-
rinde Buchstaben schnitzte, zum Spiel und zum Unterricht für seine Enkel.
l-Iiebei blitzte ihm jener bekannte glückliche Gedanke auf und er erfand
die Buchdruckerkunst, also im Jahre 144.0, zehn Jahre vor Gutenberg.
Er goss sogar schon zinnerne Buchstaben, doch hielt er sein Verfahren
geheim, weil er seine gedruckten Bücher als Handschriften verkaufte
-- der ehrenwerthe Mann! Zu seinem Unglücke hatte er aber einen
ungetreuen Knecht Hans Faustus (oder nach Anderen Hans Gens-
fleisch), und in der Christnacht, als alle Frommen beim Nachtgottes-
dienst in der Kirche waren, packt dieser Diebsgeselle den ganzen Druckerei-
apparat in einen Sack und rennt damit zum Thore hinaus, zuerst nach
Amsterdam und von dort nach Mainz, wo sich die holländische Erfindung
später als eine deutsche breitmachte. Dies Alles wurde dem Junius von
seinem greisen Lehrer Gael, einem Manne mit eisernem Gedächtnisse,
erzählt, und dieser hatte sie wieder als Kind von einem Buchbinder Cor-
nelis gehört, der bei der Erzählung dieser Schaudergeschichte als 8oiähriger
Mann noch immer in Thränen ausbrach, die grässlichsten Verwünschungen
gegen den Dieb in der Christnacht ausstieß, dessen Henker er werden
wollte, wenn der Spitzbube nur noch lebte, und die Nacht verwünschte,
die er mit demselben im gemeinschaftlichen Bette in der Werkstatt schlafen
musste. - Diese Geschichte steht in der l-Iistoria Bataviae, und dort ist
auch zu lesen, wie einmal ein grober Windstoß einen Mann meilenweit
durch die Lüfte getragen, und dem habe es von dieser unfreiwilligen Luft-
partie nur ein klein wenig im Kopfe gesummt; und weiter: die Gräfin
Margareth von Henneberg im XIII. Jahrhundert sei auf einmal von 365
Kindlein entbunden worden, und dies Alles sei wahr, denn so laute die
Inschrift auf einem Votivbild zu Loosduinen . . . . Ich hebe dies hervor
zur Charakteristik dieses vertrauensseligen Junius, der mit seiner Erfin-
dungsgeschichte der Eitelkeit seines Freundes Coster schmeicheln und