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wird er nicht vor seinem 34. Jahre geheirathet haben und dann kann er
in dem angeblichen Jahre der Erfindung 1440 noch nicht mehrere
Enkel haben, welche lesen lernen sollen, selbst wenn seine Tochter sich
schon im 14Ä Lebensjahr vermält hätte. Das machte die biedern Haar-
lemer wohl stutzig, aber um die Gemüther zu beruhigen, wurde flugs
dem Coster ein Denkmal gesetzt. - Da erzählt aber wieder einmal ein
Rabbiner, JosefKohen, dass er in Venedig im Jahre 1428 ein gedrucktes
Buch gesehen habe (es war eine von den späteren Bibliae pauperum),
freilich ohne Titel und undatirt. - Undatirt! Desto besser, da lässt
es sich um so leichter behaupten, dass das Buch von Coster in Haarlem
gedruckt ist und die andern sollen beweisen, dass das nicht wahr sei!
- Vollends groß war der Jubel, als Herr A. de Vries in: Jahre 1822
in den Büchern von St. Bavo in Haarlem das Todesjahr 143g eines
Schöffen und Rathsherrn Laurens Janszonientdeckte. Nun ward es mit
einem Male hell in den Köpfen: Der Erfinder ist nicht der Lichtgießer
und Schenkwirth, sondern der Schöffe, das früher Behauptete war nur
ein verzeihlicher Irrthum! Der Schöffe heißt in dem Todtenbuch aller-
dings nur Laurenz Janszoon, aber das verschlägt nichts. lm Jahre 1425
wird freilich das Haarlemer Stadtwäldchen bei einer Belagerung ausge-
rodet, woher hätte Laurenz Janszoon später so herrliche Birkenrinde für
seine Buchstaben nehmen sollen? Also einfach, er hat die Erfindung
bereits im Jahre 1423 gemacht! Damit die Feinde gar nimmer das Gegen-
theil beweisen können, so bekommt der Schöffe auch ein Denkmal; nun
steht's fest, ist nicht der eine Laurenz der Erfinder, so ist's der andere.
wIst dies schon Tollheit, hat es doch Methodelu
Doch genug des Scherzes! Hervorgehoben zu werden verdient nur,
dass das zweite Coster-Denkmal noch im Jahre 1856 aufgestellt wurde.
Jetzt ist allerdings auf Grundlage der aufgefundenen Gutenberg-Urkunden
die Wahrheit endlich zu Tage gekommen. Die Alten hatteh Recht, dass
sie die Wahrheit eine Tochter des Chronos, der Zeit, nannten, denn
lange genug war Gutenbergs Name und Verdienst besudelt und ver-
dunkelt. Es ist wie ein Act der Nemesis, dass gerade ein Haarlemer,
Dr. Linde, zuerst im Jahre 1870 und neuerdings in einem umfassen-
deren Werke im Jahre 1878 den Costerianern die Maske erbarmungslos
vom Gesichte riss und diesem Schwindel wohl für alle Zeit ein Ende
machte. - Vom Costermythus ist bis hoch in das XVI. Jahrhundert,
selbst bei den stolzesten und schreiblustigsten holländischen Schriftstellern
nirgends auch nur ein Wort zu finden. Freilich hat sich auch Gutenberg
selbst, allzubescheiden, auf keinem seiner Bücher genannt. Aber seine
persönlichen Feinde Fust und Schöffer mussten wenigstens einmal der
Wahrheit öffentlich Zeugniss geben und zahlreiche Stellen in Werken
bereits des XV. Jahrhunderts preisen Gutenberg als den wahren Erfinder
der Buchdruckerkunst. Wozu diese noch anführen?! Nach dem Gesagten
dürfen wir wohl überzeugt sein, dass die Denkmäler in Straßburg, Mainz