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"auch nur diese Schätze zu erkennen und zu benutzen wissen, hinter den
Ansprüchen der Zeit kaum zurückstehen.
Nicht sowohl die Vermehrung und Verbesserung, sondern nur die
klare Erkennmiss der Gesetze der Entwicklung selbst, welche uns auf den
Weg der steten Vervollkommnung führt, bleibt die Aufgabe der Zukunft.
Du Waffonmuaeum der Stadt Wlea.
Die Weltausstellung gab dem Wiener Gemeinderathe Anlass, zwei für die Local-
geschichte wichtige Unternehmungen in's Leben zu rufen, nämlich die Umgestaltung
des bürgerlichen Zeughauses in ein städtisches Waffenmuseum und die Veran-
staltung einer historischen Ausstellung. Von diesen Unternehmungen ist das
erstere seiner Vollendung zugeführt uncl vor kurzem - am 15. Mai - der allgemeinen
Besichtigung zugänglich gemacht worden; aber auch die historische Ausstellung ist so
weit vorbereitet, dass sie in einigen Tagen (am 5. Juni) erüHnet werden kann.
Schon vor 4c Jahren hatte Scheiger in einer eingehenden Darstellung über das
bürgerliche Zeughaus auf die hohe Bedeutung desselben hingewiesen, und in lebhafter
Weise den Wunsch nach einer fachkundigen Neuaufstellung der dort befindlichen reichen
WaEenschatze ausgesprochen. Wenn dieser verdienstvolle Mann, welcher gegenwärtig in
Graz weilt, Gelegenheit findet, nunmehr das Watfenmuseum der Stadt Wien zu besuchen,
so dürfte es ihm zur Befriedigung gereichen, dass sein berechti ter Wunsch in Erfüllung v
ging. Unter dem Einflüsse der modernen ldeen über den Wert und die Bedeutung von
culturhistorischen Sammlungen ging der Gemeinderath an das Werk. Erfüllt von dem
Wunsche, dass jene Erinnerungen, welche die glorreichsten Epochen der Geschichte
Wiens in sich fassen, in einer würdigen, dem hiesigen Stande der historischen und Kunst-
forschung entsprechenden Gestalt zur Anschauung gelangen, übertrug er die wissenschaft-
liche Sichtung und Leitung dem k. k. Regierungsrathe und Vorstande des Hofwaffen-
museums Herrn Quirin Leitner, jenem Manne, der durch seine Specialstudien und seine
bisherigen Leistungen vor Allen dazu berufen war. Mit diesem vereint wirkte die vom
Gemeinderathe eingesetzte Specialcommission, bestehend aus dem Bürgermeister-Stellver-
treter F. Khunn, den Gemeinderäthen Dollhopf, Matzenauer, Dr. v. Mauthner und Sig-
mundt, dann aus dem Stadtarchivar Weiss, welcher hauptsächlich die Ordnung und Lösung
aller damit im Zusammenhange gestandenen administrativen Fragen zuliel.
Die Aufgabe war wahrhaftig keine leichte, insbesondere bei dem Umstand, dass
angesichts der bevorstehenden Weltausstellung die Neuaufstellung des Walfenrnuseums in
dem Zeitraurne von neun Monden vollendet sein musste. Wer sich auf die Beschaffenheit
des früheren bürgerlichen Zeughauses erinnert, wird wissen, dass es schwer war, sich
darin zurecht zu finden. Die werthvollsten Waffen und Rüstungen waren in bunter Un-
ordnung, nach ganz dilettantischen Gesichtspunkten und mitten unter einem Wust von
modernen Waden aufgestellt; einzelne Theile der Rüstungen willkürlich zusammengefügt
und zum Theil mit schwarzer Farbe übertüncht. Manche derselben, weil sie ausserlich
nicht in die Augen sprangen. lagen auf der Galerie versteckt. Das Ganze hatte noch den
Charakter der Schau- und Raritatencabinette des 18. Jahrhunderts, nur darauf berechnet,
die Laune ihrer Besitzer zu befriedigen. Ueberdies hatte das frühere bürgerliche Zeughaus
auch die Eigenschaft eines Watfendepots der Bürgerwehr und Nationalgarde, daher tau-
sende von Gewehren und Sabeln daselbst aufgespeichert lagen. Bei dem heutigen Stande
der Wehrverfassung hatte dies gar keinen Zweck, weil an eine Wiedererrichtung der
Bürgerwehr nicht gedacht werden kann und selbst in dem Falle, als dies einst geschehen
sollte, die vorhandenen Walfenvorrathe sicher ganz unbrauchbar sein würden.
Für die Neuaufstellung gab es keinen richtigeren Standpunkt, als aus dem bürger-
lichen Zeughaus: den grosseren Theil dieser werthlosen und nicht dahin gehörigen Waden
wegzuschalfen, und mit Hilfe des dadurch gewonnenen Raumes die werthvollen Bestand-
theile der Sammlung - so weit es die raumlicher: Verhältnisse zuliessen - in chrono-
logischer Reihenfolge anzuordnen, ein Standpunkt, welcher bei der thatsachlichen Be-
schalfenheit der ersteren allerdings nur durch einen sachkundigen Mann praktisch zur
Geltung gelangen konnte, da eine solche Umgestaltung eine genaue Kenntniss der Ge-
schichte des Waifen- und Harnischwesens voraussetzt. Dabei musste von vorn herein auf
-eine imponirende, dem Auge gefallige Gruppirung verzichtet oder eine solche nur für jene
Epochen aufgespm werden, welche nach ihrem stolflichen Inhalt und ihrem specilischen
Charakter die Zusammensetzung von Trophäen zuliessen. Dieser Mangel, den etwa Laien
verspüren werden, ist weit aufgewogen durch die übersichtliche Anordnung des Stolfea.