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Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift für Architektur, angewandte Kunst und alle modernen Kulturaufgaben, 4. Jahrgang 1908

gleichzeitig von einer Rhythmik durchfloffen und zu einer Deli= 
kateffe gefteigert, die jedes Wagnis zu einer äftbetifchen Freude 
macht; koloriftifch überbot er alle Möglichkeit des Impreffionismus, 
und erfand lieh mit diefen Erfahrungen neue dekorative Farben 
werte, die in ihrer ungebrochenen Leuchtkraft juwelenhaft in 
feinen Bildern ftehen. Fiber die Einzelheiten, die bei anderen 
febon Selbftzweck und Inhalt eines ganzes Lebensprogrammes 
find, bedeuten für ihn bloße Mittel, die er gleicbfam hinter lieh 
wirft und unterdrückt, nachdem es ihm gelungen ift, die höhere, 
ftilvolle Einheit feiner Werke auf fie zu gründen. Nun fteben 
fie leuchtend über dem Alltag, Hltarwerke der Kunft, ganz Fläche, 
ftrablend in Gold, Weiß, in der Edelfteinbaftigkeit der dekorativ 
gefteigerten Farbe und in der diebterifdben Kraft der Symbole, 
die er neu erfebuf. Das »Liebespaar«, »Drei Alter«, die Porträts 
und die Landfcbaften, es find Werke, die ganz entlaftet find von 
der Schwere des Handwerkes, von der Angft der Seele, die bebt, 
das Gewollte zu erreichen, von der Widrigkeit des Materials, 
das ganz bezwungen feinen Zauber preisgibt, wie es ihn noch 
keinen Händen preisgegeben bat. Seien wir ganz offen. Die 
Malerwerke der Beften unter den Heutigen find nicht frei von 
dem Künftlerfcbweiß, nicht frei von dem laftenden Druck des 
Stoffes oder des Problems, das dem Künftler mit einer Grimaffe 
über die Schulter fiebt; aber in Klimts Bildern ift die Glückfelig- 
keit der Überwindung; leidit und bimmlifcb wie die Vollendung, 
und darum gibt ihre Gegenwart ein unnennbares Glücksgefübl, 
eine heitere Seligkeit, die zu den böcbften Gnaden der Kunft gehört. 
Niemand möchte ahnen, welche febier übermenfcblicbe Kraftan» 
ftrengung dazu gehört, um diefe abfolute Höbe zu erreichen. 
Der eindringende Blick mag es erkennen in der unauffälligen, 
ein fabelhaftes Naturftudium verratenden Durchbildung gewiffer 
Partien, wie der Arme und Hände, und in der furcbtlofen Cbarak« 
teriftik feiner Zeichnungen und Studien, die als Vorarbeiten 
feinen Werken zugrunde liegen, in denen jede Werkfpur, jeder 
gewaltfame Zug der unerhörten Anftrengung in dem königlichen 
Lächeln der Vollendung befiegt worden ift, zum Zeichen, daß 
der Schöpfer über fich felbft ftebt. In drei ungeheuren Kurven 
ging der Künftler feinen Weg nach aufwärts. Die erfte vor« 
fezeffioniftifche Entwicklung, die Burgtbeaterzeit, hob ihn weit 
über feine Künftlerkollegen hinaus, damals, als ihn die Menge 
noch zu verfteben und zu lieben vermochte; die Sezeffion gab 
feinen Kräften einen neuen Schuß, der ihn in die vorderfte Reibe 
der Malergrößen rückte, eine Entwicklung, die durch die drei 
Univerfitätsbilder ebarakterifiert ift; das Wien des Ver Sacrum fiel 
mit dem Bankrott der Sezeffion, aber die feböpferifeben Kräfte, 
die für die Entwicklung überhaupt entfeheiden, waren erftarkt 
genug, auf eigenen Vorausfetjungen weiter zu bauen, Klimt unter 
ihnen, und nun fehen wir in der KUNSTSCHAU den Künftler 
in feiner dritten Epoche auf einer Höbe, in der er allein ftebt, 
zum Glück noch in jungen Jahren und in vollgereifter Meifter- 
febaft, mit frifchen, ungebrochenen Kräften begabt. Wie hoch 
fie ihn noch beben werden, können wir nur mit einer glücklichen 
und zitternden Ahnung erfaffen. Was er aber für uns heute 
febon bedeutet, ift auf die knappfte Formel gebracht, diefes: daß 
er in dem ungeheuren Auffcbwung der dekorativen Künfte die 
Malerei, die vor dem neuen Glanz verdunkeln wollte, mit einer 
Riefenkraft emporbob und mit einer neuen künftlerifcben An 
ziehungskraft befeelte, die die Menfcbbeit von neuem in ihren 
Zauberbann zieht, vielleicht auf Jahrhunderte hinaus. □ 
Der andere Gipfel neben KLIMT ift die WIENER WERKSTÄTTE 
oder genauer getagt, jene Künftlervereinigung, zu der im weiteren 
Sinne die ganze Klimt-Gruppe freundnacbbarlicb gehört. Wiener 
Werkftätte, das beißt JOSEPH HOFFMANN und KOLO MOSER. 
Vor allem aber beißt es Jofepb Hoffmann. Ich habe mich feit 
Jahren auf den Tag gefreut, wo wir dem Jofeph Hoffmann fagen 
können, wie ftolz wir auf ihn find, wie wir uns feiner freuen, 
nicht nur wir, die den Vorzug haben feine unparteiliche, fachlich 
gerechte Künftlerperfönlichkeit zu kennen, fondern auch der große 
weitere Kreis, der fein Schaffen vorbildlich betrachtete. Faft 
keiner der modernen Künftler konnte fich feinem Einfluß ent 
ziehen, und einige kenne ich, bei denen der Einfluß zur fatalen 
Nachahmung führte. Aber Nachahmung ift das größte Kompli 
ment. Durch die deutfehe kunftgewerblicbe Entwicklung gebt 
feit einigen Jahren ein febr auffallender wienerifcher Zug, und 
diefer wienerifche Zug ift Jofepb Hoffmann oder Wiener Werk- 
ftätte. Der Begriff der Qualität in feiner böcbften Steigerung 
gefaßt, hier ift er gegeben. Die beften Handwerker, das befte 
Material, die beften Entwürfe, das find die Werkftättenfundamente. 
Bucbbindekunft, Goldfcbmiedekunft, wir wüßten faft nicht mehr, 
wie das ausfiebt, wenn nicht die Wiener Werkftätte die künftle 
rifcben Ideale des Handwerks zu neuem Glanz erhoben hätte. 
In diefer kunftbandwerklichen Vollendung lautet das Arbeits 
prinzip: lieber zehn Tage an einem Stück, als zehn Stück an 
einem Tage. Das ift die Formel, denn in der Tat find in der 
Silberwerkftätte Gegenftände, deren Herftellungszeit nach Jahren 
mißt. Den Einklang zwifchen der künftlerifcben Disziplin und 
der Handwerkstechnik berzuftellen, ift hier vollends gelungen. 
Ich behaupte, daß es überhaupt der einzig vollkommen geglückte 
Verfuch der Modernen ift. Der Geift des Materials ift hier lebendig 
geworden, die langverkannte farbige Schönheit der Halbedelfteine, 
der feidige Glanz des Perlmutters, der farbentiefe Schmelz des 
Emails, das Plattenmofaik aus Glas, Marmor und glafiertem 
Ton, davon die kirchlichen Glasfenfter und Wanddekorationen 
des Kolo Mofer ein Beifpiel großen Maßftabes bieten, darin das 
unermüdliche teebnifeb ftiliftifche Temperament des Oberbaurates 
OTTO WAGNER Anreger war, die farbige Keramik mit ihren 
unerfchöpflichen, plaftifchen Möglichkeiten, in Deutfcbland durch 
die Werkftätte LOEFFLER und POVOLNY eingefübrt, die je$t 
zur Wiener Werkftätte gehört, die Unfumme von neuen Techniken, 
die dem künftlerifcb fruchtbaren Experiment entfpringen. Sie 
bilden einen wefentlichen Teil der künftlerifcben Befi^erweite- 
rungen der Wiener Werkftätte und ihres Kreifes. Das kann man 
nun alles beguem in der raumkünftlerifcben Anwendung diefer 
Ausftellung betrachten. Es gibt kein Gebiet der architektonifchen 
und dekorativen Künfte, in dem nicht der univerfale Geift 
Hoffmanns disziplinierend eingegriffen hätte. Neben Klimt ift 
die Wiener Werkftätte die andere Krone in diefer »KUNSTSCHAU«. 
Auf die Ferne bin wirken diefe Erfcbeinungen fummarifch, im 
großen Umriß, wie die Kontur eines hoben Berges, der das 
Leben feiner Anwohner regelt, und ihnen Gefetj ift. Ein rühriges 
Volk hat fich rundum angefiedelt und bringen in das Bild Farbe 
und Bewegung. Es find der Mehrzahl nach die früheren Schüler 
diefer führenden Künftlergruppe, die zu einer fchönen Selbft- 
ftändigkeit erwachten und zu einer Eigenart erftarkt find, die 
unbefchadet der perfönlichen Züge ihrer Wurzelfeftigkeit andiefem 
Berg finden, der die geiftige Zuflucht diefes Jung-Wiens ift. So 
kam von felbft Einheit in die bunte Vielheit. Die Ausftellung 
ift ein Riefenwerk, dem Hoffmann die architektonifcbe Zucht und 
Ordnung gegeben bat. Die Leiftung ift um fo erftaunlicber, wenn 
man bedenkt, daß diefe, nur im großen Umriß gefchilderte Gruppe 
durch kein Vereinsftatut und durch keinen Pflichtzwang, fondern 
als freie Gefellfchaft lediglich durch ein geiftiges Band zufammen- 
gebalten wird, und daß die ganze ungeheure Arbeit aus der 
freiwillig mitfehaffenden Begeifterung diefes Künftlerfäbnleins 
entftand. So groß ift die erzieberifebe Macht des künftlerifcben 
Beifpiels, das Klimt und Hoffmann bedeuten, daß es keines anderen 
Anrufes bedurfte, die Kräfte über das gewöhnliche Maß hinaus 
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