gleichzeitig von einer Rhythmik durchfloffen und zu einer Deli=
kateffe gefteigert, die jedes Wagnis zu einer äftbetifchen Freude
macht; koloriftifch überbot er alle Möglichkeit des Impreffionismus,
und erfand lieh mit diefen Erfahrungen neue dekorative Farben
werte, die in ihrer ungebrochenen Leuchtkraft juwelenhaft in
feinen Bildern ftehen. Fiber die Einzelheiten, die bei anderen
febon Selbftzweck und Inhalt eines ganzes Lebensprogrammes
find, bedeuten für ihn bloße Mittel, die er gleicbfam hinter lieh
wirft und unterdrückt, nachdem es ihm gelungen ift, die höhere,
ftilvolle Einheit feiner Werke auf fie zu gründen. Nun fteben
fie leuchtend über dem Alltag, Hltarwerke der Kunft, ganz Fläche,
ftrablend in Gold, Weiß, in der Edelfteinbaftigkeit der dekorativ
gefteigerten Farbe und in der diebterifdben Kraft der Symbole,
die er neu erfebuf. Das »Liebespaar«, »Drei Alter«, die Porträts
und die Landfcbaften, es find Werke, die ganz entlaftet find von
der Schwere des Handwerkes, von der Angft der Seele, die bebt,
das Gewollte zu erreichen, von der Widrigkeit des Materials,
das ganz bezwungen feinen Zauber preisgibt, wie es ihn noch
keinen Händen preisgegeben bat. Seien wir ganz offen. Die
Malerwerke der Beften unter den Heutigen find nicht frei von
dem Künftlerfcbweiß, nicht frei von dem laftenden Druck des
Stoffes oder des Problems, das dem Künftler mit einer Grimaffe
über die Schulter fiebt; aber in Klimts Bildern ift die Glückfelig-
keit der Überwindung; leidit und bimmlifcb wie die Vollendung,
und darum gibt ihre Gegenwart ein unnennbares Glücksgefübl,
eine heitere Seligkeit, die zu den böcbften Gnaden der Kunft gehört.
Niemand möchte ahnen, welche febier übermenfcblicbe Kraftan»
ftrengung dazu gehört, um diefe abfolute Höbe zu erreichen.
Der eindringende Blick mag es erkennen in der unauffälligen,
ein fabelhaftes Naturftudium verratenden Durchbildung gewiffer
Partien, wie der Arme und Hände, und in der furcbtlofen Cbarak«
teriftik feiner Zeichnungen und Studien, die als Vorarbeiten
feinen Werken zugrunde liegen, in denen jede Werkfpur, jeder
gewaltfame Zug der unerhörten Anftrengung in dem königlichen
Lächeln der Vollendung befiegt worden ift, zum Zeichen, daß
der Schöpfer über fich felbft ftebt. In drei ungeheuren Kurven
ging der Künftler feinen Weg nach aufwärts. Die erfte vor«
fezeffioniftifche Entwicklung, die Burgtbeaterzeit, hob ihn weit
über feine Künftlerkollegen hinaus, damals, als ihn die Menge
noch zu verfteben und zu lieben vermochte; die Sezeffion gab
feinen Kräften einen neuen Schuß, der ihn in die vorderfte Reibe
der Malergrößen rückte, eine Entwicklung, die durch die drei
Univerfitätsbilder ebarakterifiert ift; das Wien des Ver Sacrum fiel
mit dem Bankrott der Sezeffion, aber die feböpferifeben Kräfte,
die für die Entwicklung überhaupt entfeheiden, waren erftarkt
genug, auf eigenen Vorausfetjungen weiter zu bauen, Klimt unter
ihnen, und nun fehen wir in der KUNSTSCHAU den Künftler
in feiner dritten Epoche auf einer Höbe, in der er allein ftebt,
zum Glück noch in jungen Jahren und in vollgereifter Meifter-
febaft, mit frifchen, ungebrochenen Kräften begabt. Wie hoch
fie ihn noch beben werden, können wir nur mit einer glücklichen
und zitternden Ahnung erfaffen. Was er aber für uns heute
febon bedeutet, ift auf die knappfte Formel gebracht, diefes: daß
er in dem ungeheuren Auffcbwung der dekorativen Künfte die
Malerei, die vor dem neuen Glanz verdunkeln wollte, mit einer
Riefenkraft emporbob und mit einer neuen künftlerifcben An
ziehungskraft befeelte, die die Menfcbbeit von neuem in ihren
Zauberbann zieht, vielleicht auf Jahrhunderte hinaus. □
Der andere Gipfel neben KLIMT ift die WIENER WERKSTÄTTE
oder genauer getagt, jene Künftlervereinigung, zu der im weiteren
Sinne die ganze Klimt-Gruppe freundnacbbarlicb gehört. Wiener
Werkftätte, das beißt JOSEPH HOFFMANN und KOLO MOSER.
Vor allem aber beißt es Jofepb Hoffmann. Ich habe mich feit
Jahren auf den Tag gefreut, wo wir dem Jofeph Hoffmann fagen
können, wie ftolz wir auf ihn find, wie wir uns feiner freuen,
nicht nur wir, die den Vorzug haben feine unparteiliche, fachlich
gerechte Künftlerperfönlichkeit zu kennen, fondern auch der große
weitere Kreis, der fein Schaffen vorbildlich betrachtete. Faft
keiner der modernen Künftler konnte fich feinem Einfluß ent
ziehen, und einige kenne ich, bei denen der Einfluß zur fatalen
Nachahmung führte. Aber Nachahmung ift das größte Kompli
ment. Durch die deutfehe kunftgewerblicbe Entwicklung gebt
feit einigen Jahren ein febr auffallender wienerifcher Zug, und
diefer wienerifche Zug ift Jofepb Hoffmann oder Wiener Werk-
ftätte. Der Begriff der Qualität in feiner böcbften Steigerung
gefaßt, hier ift er gegeben. Die beften Handwerker, das befte
Material, die beften Entwürfe, das find die Werkftättenfundamente.
Bucbbindekunft, Goldfcbmiedekunft, wir wüßten faft nicht mehr,
wie das ausfiebt, wenn nicht die Wiener Werkftätte die künftle
rifcben Ideale des Handwerks zu neuem Glanz erhoben hätte.
In diefer kunftbandwerklichen Vollendung lautet das Arbeits
prinzip: lieber zehn Tage an einem Stück, als zehn Stück an
einem Tage. Das ift die Formel, denn in der Tat find in der
Silberwerkftätte Gegenftände, deren Herftellungszeit nach Jahren
mißt. Den Einklang zwifchen der künftlerifcben Disziplin und
der Handwerkstechnik berzuftellen, ift hier vollends gelungen.
Ich behaupte, daß es überhaupt der einzig vollkommen geglückte
Verfuch der Modernen ift. Der Geift des Materials ift hier lebendig
geworden, die langverkannte farbige Schönheit der Halbedelfteine,
der feidige Glanz des Perlmutters, der farbentiefe Schmelz des
Emails, das Plattenmofaik aus Glas, Marmor und glafiertem
Ton, davon die kirchlichen Glasfenfter und Wanddekorationen
des Kolo Mofer ein Beifpiel großen Maßftabes bieten, darin das
unermüdliche teebnifeb ftiliftifche Temperament des Oberbaurates
OTTO WAGNER Anreger war, die farbige Keramik mit ihren
unerfchöpflichen, plaftifchen Möglichkeiten, in Deutfcbland durch
die Werkftätte LOEFFLER und POVOLNY eingefübrt, die je$t
zur Wiener Werkftätte gehört, die Unfumme von neuen Techniken,
die dem künftlerifcb fruchtbaren Experiment entfpringen. Sie
bilden einen wefentlichen Teil der künftlerifcben Befi^erweite-
rungen der Wiener Werkftätte und ihres Kreifes. Das kann man
nun alles beguem in der raumkünftlerifcben Anwendung diefer
Ausftellung betrachten. Es gibt kein Gebiet der architektonifchen
und dekorativen Künfte, in dem nicht der univerfale Geift
Hoffmanns disziplinierend eingegriffen hätte. Neben Klimt ift
die Wiener Werkftätte die andere Krone in diefer »KUNSTSCHAU«.
Auf die Ferne bin wirken diefe Erfcbeinungen fummarifch, im
großen Umriß, wie die Kontur eines hoben Berges, der das
Leben feiner Anwohner regelt, und ihnen Gefetj ift. Ein rühriges
Volk hat fich rundum angefiedelt und bringen in das Bild Farbe
und Bewegung. Es find der Mehrzahl nach die früheren Schüler
diefer führenden Künftlergruppe, die zu einer fchönen Selbft-
ftändigkeit erwachten und zu einer Eigenart erftarkt find, die
unbefchadet der perfönlichen Züge ihrer Wurzelfeftigkeit andiefem
Berg finden, der die geiftige Zuflucht diefes Jung-Wiens ift. So
kam von felbft Einheit in die bunte Vielheit. Die Ausftellung
ift ein Riefenwerk, dem Hoffmann die architektonifcbe Zucht und
Ordnung gegeben bat. Die Leiftung ift um fo erftaunlicber, wenn
man bedenkt, daß diefe, nur im großen Umriß gefchilderte Gruppe
durch kein Vereinsftatut und durch keinen Pflichtzwang, fondern
als freie Gefellfchaft lediglich durch ein geiftiges Band zufammen-
gebalten wird, und daß die ganze ungeheure Arbeit aus der
freiwillig mitfehaffenden Begeifterung diefes Künftlerfäbnleins
entftand. So groß ift die erzieberifebe Macht des künftlerifcben
Beifpiels, das Klimt und Hoffmann bedeuten, daß es keines anderen
Anrufes bedurfte, die Kräfte über das gewöhnliche Maß hinaus
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