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sich mit dem dritten Theil des Geschäftscapitals an dem Unternehmen zu
betheiligen. Die Fabrik erhielt nun den Titel einer königlichen Ma-
nufactur. Der Ruf derselben, der Begehr nach ihren schönen Fabri-
katen, die namentlich in der Vergoldung und Behandlung der Farben die
gleichzeitigen deutschen Porzellanfabrikate weit übertrafen, steigerte sich
bald derart, dass die Räumlichkeiten zu Vincennes zu enge wurden und be-
schlossen wurde, ein großes Fabriksgebäude zu Sevres, auf der Straße
nach Versailles, zu errichten, wohin der Betrieb 1756 verlegt ward.
1760 brachte Ludwig XV die Manufactur ganz an sich, Boileau
blieb Director.
Und nun kam die Fabrik bei dem lebhaften Interesse und der regen
Unterstützung, die ihr der Hof und Adel, namentlich aber die Marquise
von Pompadour zu Theil werden ließen, bei der reichen Dotation von
angeblich 95.000 Frcs., welche die Heranziehung der besten wissenschaft-
lichen und künstlerischen Kräfte ermöglichte, erst zur reichsten Ent-
faltung.
Die päte tendre, welche in Sevres erzeugt wurde, ist ein hart an
der Grenze des keramischen Gebietes stehendes Product, dem Glase ver-
wandter als den sonstigen Thonwaaren, mit denen es fast nur das Formen
und die Art des Brennens gemein hat. Es fehlt darin fast ganz das
charakteristische Moment der Thonwaaren, der Thon. Die Masse bestand
aus einer glasigen, alkalireichen Fritte, die dann mit etwas Kreide und
Kalkmergel zusammengerieben wurde.
Da die Masse bei dem Mangel an Thonsubstanz höchst geringe
Plasticität zeigte, musste sie durch Zusatz von Klebmitteln (Traganth oder
Leim) einigermaßen formbar gemacht werden.
Dass die weitere Behandlung derselben bei derartiger Zusammen-
setzung außerordentlich schwierig war, ist selbstverständlich.
Die Stücke mussten sämmtlich sehr dick in Gypsforrnen hergestellt
und erst nach dem Trocknen auf die richtige Form abgedreht werden.
Eine weitere große Schwierigkeit bot das Brennen. Die Masse, eigentlich
ja nichts anderes als ein sehr kalkhältiges Glas, das bis zum Zusamm-
sintern gebrannt werden musste, erweichte sehr stark und erforderte, um
nicht zusammen zu sinken, die complicirtesten Stützen und Unterlagen.
Die Glasur, die auf das zur vollen Transparenz, also scharf gebrannte
Geschirr kam, war ein gewöhnliches Bleiglas, wie es die Fayencen
trugen, das zum Aufbrennen im zweiten Feuer nur eine weit niedrigere
Temperatur erforderte, aber auch nicht die Härte der Glasur des echten
Kaolin- oder Feldspathporzellans erreichen konnte.
Für den färbigen Decor der Luxusgeräthe ist diese Glasur aber
gerade ein Vorzug geworden, der ja auch der Fayence gegenüber dem
Porzellan innewohnt. Die Farben schmelzen, bei dem Aufbrennen in der
MuEel, in die dabei erweichende Glasur ein, wodurch die Malerei eine
besondere Zartheit und einen schönen gleichmäßigen Glanz erhält.