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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVII (1882 / 205)

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Auch gestattet die bleiische Glasur eine viel reichere Entfaltung der 
Farbpalette und namentlich schöne Fondsfarben. So haben an den Vieux- 
Sevres-Porzellanen einige solcher Fondsfarben als Specialitäten Berühmt- 
heit erlangt: ein schönes Cobaltblau, bleu de roi, das zarte rose Pompa- 
dour, ein sonst unerreichtes Türkisblau, bleu de Sevres u. s. f. Immer- 
hin können alle diese Vorzüge allein die hohen Preise nicht begründen, 
die heutzutage für die alten Sevres-Porzellane von reichen Sammlern, 
namentlich in England, gezahlt werden. 
So sind beispielsweise seinerzeit bei der Versteigerung der Bernal- 
schen Sammlung in London ein Paar Sevres-Vasen von 14." Höhe, rosa 
Fonds mit Amoretten in Medaillons für 20.000 fl., fünf Vasen bleu de 
roi, die mittelste 18" hoch mit Blumen und Landschaften für 23.000 H. 
erstanden worden, Beispiele, denen sich unzählige andere anreihen ließen. 
Die reichste Sammlung alter Sevres-Fabrikate befindet sich gegen- 
wärtig im Besitze der Königin von England. Sie rührt von Georg IV. her, 
der noch als Prinz von Wales mit wahrer Leidenschaft und ungeheurem 
Kostenaufwande die kostbaren Producte, die während der französischen 
Revolution und später, zur Zeit der Continentalsperre, durch einen wohl- 
organisirten Schleichbanclel nach England kamen, zusammenkaufte. 
In Sevres war seit der Einführung des harten Porzellans, 1769, die 
Fabrication der päte tendre zurückgegangen, endlich 1805 ganz aufge- 
geben worden. Erst seit 1847 hat man sie wieder als besondere Spezialität 
aufgenommen. 
Heute fabricirt auch Minton in England die pate tendre für besondere 
Kunststücke. Für den Großbetrieb und für Nutzgeräthe war und ist sie 
durch die Schwierigkeit der Herstellung und die früher berührten tech- 
nischen Mängel gegenüber dem Feldspathporzellan ja ausgeschlossen. 
Dies hatte man an der königlichen Manufactur zu Sevres auch 
erkannt und war daher eifrigst bestrebt, auch das echte deutsche Porzellan 
zu Stande zu bringen. 
1761 wurde der Fabrikant Hannung zu Frankenthal in der Pfalz, 
der Sohn des Begründers der dortigen Fabrik, gewonnen, das Verfahren 
der Darstellung des harten Porzellans gegen eine Jahresrente von 1200 Frcs. 
an die Fabrik zu Sevres bekannt zu geben, doch konnte mit den Vor- 
schriften, die sich auf Kaolin von Passau in Baiern bezogen, nichts 
begonnen werden, solange sich nicht im Lande selbst das geeignete Ma- 
terial vorfand. 
1765 entdeckte die Frau eines Wundarztes Darnet zu St. Yrieux bei 
Limoges in einer nahegelegenen Schlucht eine weiße, fette Erdart, die sie 
als zur Wäsche brauchbar erachtete. Ihr Gatte hatte darob eine ganz 
andere Verrnuthung. brachte, um sich zu vergewissern, eine Probe davon 
an einen befreundeten Apotheker in Bordeaux, der sie sogleich an den 
Chemiker Maquer in Sevres einsandte. Maquer erkannte sie als Kaolin, 
und beeilte sich nach St. Yrieux zu kommen und das Lager zu unter-
	        
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