229
ein Künstler in seiner Art -- ist berufen, nur Werke zu schaffen, die der
Industrie als Muster des Erreichbaren, als Sporn zur Nacheiferung dienen
sollen. Und wer Augen hatte zu schauen, konnte bei Gelegenheit der
Weltausstellungen den Einfluss von Sevres, den Nutzen dieser Institution
für die heute enorm entwickelte französische Gesammt-Porzellanindustrie
leicht erkennen.
Heute wird in Frankreich in 102 Fabriken von 14.000 Arbeitern
Porzellan erzeugt, die jährliche Production erreicht den Werth von
43,6oo.ooo Francs, wovon für 14'], Millionen exportirt wird.
Zunächst an Umfang kommt ihr am Continente unsere österreichische
Porzellanindustrie nahe, die über den mächtigen Kaolinlagern der Um-
"gebung von Karlsbad in Böhmen erstanden ist. Leider ist diese Fabrication
bis in die letzte Zeit einer höheren Kunstentwicklung fast ganz ferne ge-
blieben und beschränkte sich zumeist auf die Erzeugung couranter Massen-
artikel und Gebrauchsgeschirre. Bei dem Mangel einer Specialisirung
musste sich daraus im Laufe der Zeit ein unerträglicher Concurrenzdruck
fühlbar machen, der den Werth unserer Porzellanproducte auf eine un-
glaubliche Tiefe herabdrückte.
Aber wie wird denn eigentlich Porzellan gemacht?
x
Ich habe absichtlich die technischen Erörterungen zum Schlusse
meiner gedrängten Skizze aufgehoben; wir haben die Entwicklung der
Industrie historisch bis zu unserer Zeit verfolgt, nun wollen wir auch
unser heutiges Verfahren kennen lernen.
Die beiden Grundlagen des Porzellans, Kaolin und Feldspath, stehen
in sehr naher Beziehung zu einander. Der Feldspath, ein hartes,
weißes Mineral, ist ein Bestandtheil vieler Urgesteine, namentlich des
Granits, des Gneiß', Porphyrs etc., in welchen er gemengt mit Quarz
und Glimmer erscheint.
Durch den dauernden Einfluss der Atmosphärilien, Luft, Kohlen-
säure und Wasser, zersetzen sich diese Gesteine, resp. der Feldspath in
ihnen, und werden endlich zu einer bröckligen, mürben Masse, dem
Kaolin.
Der Feldspath - eine Doppelverbindung der Kieselsäure mit Thon-
erde und Alkali - verliert dabei den letzteren Bestandtheil, der durch
das Wasser ausgelaugt 'und weggeführt wird, und der zurückbleibende
Kaolin ist nun mehr oder weniger kieselsaure Thonerde.
So haben sich im Verlaufe enormer Zeiträume die mächtigen Kaolin-
stöcke von Karlsbad, St. Yrieux, Halle, Cornwallis u. s. f. gebildet.
Um die reine Thonsubstanz aus dem bröckligen Rohkaolin zu ge-
winnen, wird derselbe meist an Ort und Stelle einem Schlämmprocesse
unterworfen. Man rührt die Masse mit Wasser zu einem Schlamme an,
der dann durch ein System von Rinnen und Bottichen geleitet wird. Die
groben Körner unzersetzten Gesteines setzen sich zu Boden, während die