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reichert wird, und als ob es für das ganze geistige und sociale Leben
Wiens gleichgiltig wäre, 0b das Künstlerhaus gedeiht oder nicht. Nicht
ein einziges Kunstwerk ist aus dem Besitze der Commune zur Ausstellung
gelangt, nicht ein einziges von der Stadt Wien erworben worden, ub-
gleich mehrere österreichische Künstler, welche Wiener von Geburt sind,
hier zum ersten Male in ganz hervorragender Weise ausgestellt haben und
vier mit der goldenen Medaille ausgezeichnet wurden, wir meinen den
Maler v. Thoren, die Bildhauer los. E. Böhm und Victor Tilgrier
und den Medailleur Josef Tautenhayn.
Auch die österreichischen Amateurs von hoher gesellschaftlicher
Stellung haben wenig dazu beigetragen, die Zwecke der Ausstellung durch
Ankäufe oder Kunstaufträge zu fördern. Glänzende Ausnahmen machen
der Kaiser, der unermüdliche Förderer unserer Kunst, und der Träger
des ersten österreichischen Adelsgeschlechtes, der es nicht liebt, dass sein
Name genannt wird, der aber immer bereit ist, die bildende Kunst,
Kunstunternehmungen und -Institute zu fördern.
Von hervorragenden Kunstschriftstellern ist betont worden, dass
die bildende Kunst im heutigen Europa sich nicht in aufsteigender Be-
wegung befindet. Unter den beiden großen rivalisirenden Nationen des
heutigenEuropa, der deutschen und französischen, hat die erstere eine Reihe
von Talenten, die letztere den großen Vortheil aufzuweisen, dass ihre
Kunst auf festen Kunsttraditionen beruht, welche sich durch Jahrhunderte
bewährt haben.
Auch darüber ist kein Zweifel, dass das Kunstbedürfniss sich bei
allen Nationen und in allen Culturstaaten geltend macht und dass die
Nationalitätsidee fast ausnahmslos alle Künstler in Bewegung setzt. Sie
gruppiren sich nicht nach Staaten, sondern nach Nationen, denen sie an-
gehören. Durch den Factor der Nationalität steht das Kunstleben in
engem Zusammenhange mit den großen politischen Fragen, welche die
Landkarte des heutigen Europa umzugestalten drohen. Durch einige der
ausgestellten Kunstwerke kommen auch die Symptome der socialen Be-
wegung zur Erscheinung. Wir vermeiden es, auf diese politischen und
socialen Erscheinungen hier weiter einzugehen; sie zeigen nur, wie anregend
für einen denkenden Beobachter des heutigen Kunstlebens die Ausstellung
gewesen ist.
Die Anerkennung, welche das hervorragendste europäische Kunst-
blatt, die "Gazette des Beaux-Artsu im Julihefte aus Anlass der inter-
nationalen Kunstausstellung im Künstlerhause über dieses und über die
österreichischen Künstler ausgesprochen hat, kann als ein treues Bild des
Eindruckes betrachtet werden, welchen die französischen Künstler heim
Besuche des künstlerischen Wien empfangen haben. Wenn es der Raum
uns gestattete, würden wir den lehrreichen und geistvollen Bericht des
Herrn Jacques d'Aubais unsern Lesern vollständig mittheilen; wir fügen
hier nur noch hinzu, dass Herr d'Aubais Makart, Angeli, Rumpler, Canon,